Gott´sacker (Krimi-Edition)
fressen ja das Fleisch halb roh, wie die Neandertaler. Fehlt nur, dass ihr das, was ihr mit euren GTI s und euren aufgemotzten Motorrädern auf der Straße totfahrt, noch im Straßengraben roh auffresst. Von der Midlife-Crisis bin ich locker noch zehn Jahre entfernt. Und lieber eine gesunde Midlife-Crisis als eine permanente Lebenskrise.«
Das saß. Beifall heischend nickte sie Cäci zu. Diese grinste.
»Wenn ich dich mit deinem Rad umfahren würde, wenn du in Bad Saulgau bei Rot mal wieder über die Ampel stichst, wüsste ich schon ein paar zarte Lendenteile, die ich gern roh vernaschen würde.«
Hildegards Mund klappte weit auf, das beste Argument, das sie fand, lautete: »Ah…Aharschloch! Bis morgen dann in der Gruppe, ich muss noch an den Baggersee.«
Ich deutete auf ihren riesigen Jack-Wolfskin-Rucksack: »Passt da dein Tanga überhaupt rein?«
»Blödmann, deine Tussen lieben’s ja eher ohne!«
Das saß noch tiefer. Vorwurfsvoll schaute mich Cäci an: »Das weiß schon das ganze Dorf, die Sache mit dem armen Mädchen, und alle lachen über dich!«
»Das sehe ich ein bisschen anders, die Männer sind neidisch und die Damen sind eifersüchtig! Ich bin immerhin eine gute Partie, die Äcker, Bauerwartungsland, das Haus, das Bare, hässlich bin ich auch nicht …«
»Aber arschdoof!«
Frieda, die gerade vorbeikam, Hildes leeres Wasserglas abzuräumen, zog die Stirn vorwurfsvoll in Falten, als sie die Worte ihrer Tochter an mich vernahm: »Da merkt man, dass der Vater fehlt, der hätte dir jetzt eins hinter die Löffel gegeben. Ist die Lehrerin schon gegangen?«
In meine Richtung fuhr die resolute Wirtin fort: »Pass auf, Danile, die ist hinter dir und deinem Geld her. Ich kenne die Sorte Weiber, mit dem Arsch wackeln und nachher hast du nichts mehr zu melden. Pass auf! Es gibt auch noch anständige!«
Bewusst schaute sie nicht zu ihrer reizenden Tochter, die rote Flecken auf der Stirn bekam: »Lass gut sein, Mama. Ich pass schon auf den Dani auf.«
Als Hilde ihr Mountainbike im Hof wieder abgekettet hatte und schon aufgestiegen war, hielt sie noch einmal kurz an, stützte sich am Kaugummiautomaten ab und rief mit der überdimensionalen Sicherheitskette samt Zylinderschloss um den Hals über die Ligusterhecke: »Ach, deswegen bin ich ja vorbeigekommen, die haben vorhin Philipp nach Bad Saulgau aufs Revier geholt. Der wurde verhört. Bis jetzt ist er immer noch nicht bei der Arbeit.«
Ohne das Leitungswasser zu bezahlen, fuhr sie zum Baggersee.
Müller schwankte zur Toilette an unserem Tisch vorbei, deutete mit ausgestrecktem Arm in die Richtung, in der die Radelnde verschwunden war, schnalzte anerkennend mit der Zunge und artikulierte: »Die hat aber ganz schön Pfeffer im Arsch, nicht wahr, Herr Bönle?«
11
Pünktlich zehn Minuten vor Beginn der zweistündigen Sitzung ›Wer bin ich? Versuch einer Definition des Ichs zwischen Küche, Beruf und Kindern‹ war ich am Gemeindezentrum. Diesmal war kein Anruf der Gemeindereferentin Frau Kätherle nötig, um mich aus dem Schlaf zu holen.
Da ich aufgrund der turbulenten Ereignisse der letzten Tage nicht mehr wusste, was ich für den heutigen Workshop meiner fünfköpfigen Gruppe thematisch angekündigt hatte, brachte ich in meinem Rucksack eine Kerze und einen Stapel Zeitungen und Zeitschriften mit. Ich hatte streng darauf geachtet, dass auch Zeitschriften dabei waren, die das Gefallen meines überwiegend weiblichen Publikums finden würden. Kerzen waren immer gut für spirituelle und andere Impulse. Zu den Zeitschriften … da würde mir schon noch irgendetwas einfallen.
Pünktlich um neun Uhr trafen die fünf ein. Gesprächsthema der zusammengesteckten Köpfe waren die Morde und die reißerischen Artikel regionaler und überregionaler Zeitungen. Nicht nur regionale Blätter wie der Südkurier und die Schwäbische Zeitung, auch die BILD hatte die Morde dankbar als Aufmacher aufgenommen und titelte:
›Verrückter Spießer mordet im Pfarrmilieu‹
Hildegard, die stramme Lehrerin, und Philipp, der Sozialpädagoge, der für diesen Termin von seiner Arbeit bei der betreuenden Werkstatt wieder freigenommen hatte, setzten sich nebeneinander, sie waren Händchen haltend erschienen. Die anderen drei Damen wählten ihren Platz auf dem Boden nach Belieben. Mitten im Raum hatte ich die Kerze auf einen Ziegelstein gestellt, den ich im Bauschutt um das neue Gemeindezentrum herum gefunden hatte. Circa 80 Zentimeter rostigen Stacheldraht hatte ich von dem
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