Gott´sacker (Krimi-Edition)
aber Ihre Beatmusik war zu laut.«
Er nickte uns freundlich und verständnisvoll zu, seine Artikulation war schon leicht getrübt, auf seinem Bierdeckel waren vier Striche mit einem Querstrich zu erkennen.
Für diese Zeit saßen viele, meist weibliche Kurgäste im Rentenalter an den Tischen verteilt. Sie waren nach einer Riedwanderung mit Skistöcken zum Kaffee gekommen und aßen gedeckten Apfelkuchen, den Frieda selbst machte. Sie tuschelten immer wieder hinter vorgehaltener Hand. Mit Sicherheit waren einige Miss-Marple-Fans unter ihnen.
Wir setzten uns abseits, um nicht angesprochen zu werden. Doch das Unglück kam auf zwei Rädern. Hildegard kurvte sportlich in den Kieshof. Minuten später, nachdem sie ihr Rad am Kaugummiautomaten mit einem monströsen schlauchähnlichen Bikesafety-Schloss gesichert hatte, saß sie in knappem sportlichem Outfit bei uns am Tisch: »Hey, darf ich mich setzen? Mann, ist das eine Hitze! Die Lamas waren heute auffallend unruhig, vielleicht kommt endlich mal ein Gewitter.«
»So, Hilde, kannst du schon deinen Ferien-Feierabend genießen, hast du die Tiere schon versorgt und dein Bad am Baggersee genossen? Du scheinst ja in den Ferien mehr Stress zu haben als in der Schule.«
»Was soll die blöde Frage, ich hatte ganz schön was zu tun. Und als Lehrerin habe ich mir meine Ferien redlich verdient, keiner von euch weiß, wie das ist, mit den vielen verhaltensauffälligen Schülern, außerdem habe ich einen ganzen Lehrauftrag. Mein Rektor macht mir immer einen extra miesen Stundenplan, und der weiß, dass ich mit meinem ganzen sozialen Engagement viel um die Ohren habe, und wenn ich mal eine Freistunde habe, dafür kann ich ja auch nichts. Und du brauchst sowieso den Mund nicht aufzumachen, Herr Erbmillionär. Du hast das ganze Jahr Ferien.«
»Ist ja schon gut. Ich habe doch gar nichts gesagt.«
»Und, weiß man schon was Neues? Hat der Dorftratsch schon einen Mörder?«
»Nein, noch nicht.«
Ich verdrehte meine Augen unauffällig in Cäcis Richtung.
»Ich finde, unser neuer Pfarrer wirkt zurzeit sehr verunsichert, irgendetwas verbirgt der doch.«
»Der hat aber nie einen Hehl daraus gemacht, dass er sich mit dem Alt-Pfarrer nicht gut verstand.«
Hilde fuhr sich gegen den Strich über ihr kurzes dunkles Haar und sinnierte: »Aber irgendwas ist da faul.«
Frieda brachte zwei Kaffee an den Tisch: »Und was darf’s für Sie sein?«
»Haben Sie Mango-Saft?«
»Nein, tut mir leid.«
»Dann vielleicht Karottensaft?«
»Nein, nur Karotten.«
»Mineralwasser?«
»Ja.«
»Ohne Gaz?«
»Ohne was?«
»Ohne Kohlensäure.«
»Nein, halt Leitungswasser.«
»Ja, gern.«
»Da muss deine Mama mal was tun. Die Leute wollen heute gesunde Sachen, Wellness ist angesagt, nicht Most mit Schwarzwälderkirschtorte. Säfte statt Saufen.«
»Schöne Alliteration«, bemerkte ich anerkennend in Hildes Richtung. So viele Kommunikationspunkte wie gerade eben hatte sie sich noch nie verdient.
»Schöne was?«
Frieda brachte das Leitungswasser für die gesundheitsbewusste Hilde.
»Weiß man schon was Neues, Frau Maier? Hier bei Ihnen wird doch der neueste Tratsch gehandelt.«
Frieda zuckte mit den Schultern und meinte eher gelangweilt: »Wenn die Polizei so viel mitbekäme wie ich …«
Mit abgespreiztem kleinem Finger servierte sie Hilde das Wasser.
»Hier bitte, Ihr Erfrischungsgetränk.«
Die kritische Hilde betrachtete nachdenklich ihr Wasserglas und philosophierte: »Reines Leitungswasser, das ist immer noch das Beste, obwohl man durch die Überdüngung der Felder auch nicht mehr weiß, was man da an Giften mittrinkt. Das liegt alles nur an den Schnitzelessern. Zu viel Schweinezucht, andere Kulturen nutzen ihre Tiere, ohne sie zu essen, die Indios zum Beispiel mit ihren Lamas. Du bist doch auch Vegetarierin, Cäci?«
»Nein … äh, noch nicht.«
Hilde holte eine Tupperdose mit einem Mix aus gewürfelten Apfelstückchen, Kohlrabi und Karotten aus ihrem Rucksack und verzehrte diesen langsam und genießerisch zu ihrem Leitungswasser.
»Das wäre auch eine Idee, da hättet ihr mit Sicherheit mehr Gäste, eine Rohkost-Bar für den Abend, da kommen die Leute.«
»Ja, 40-jährige kinderlose lamazüchtende Lehrerinnen in der Midlife-Crisis, die bei Leitungswasser und rohen Karöttchen gesellig und heiter sind.«
»Da bist du mit deinen Macho-Stiefeln und deiner Yahama, oder wie das laute Ding heißt, einfach noch nicht reif dafür. Außerdem begreifen das Männer sowieso nicht. Die
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