Gottspieler
großer Strauß roter Rosen in einer Vase. Daneben lag ein weißer Umschlag mit dem Wort Cassi.
»Entschuldige«, sagte Cassi, »ich glaube, wir haben uns gegenseitig einen ganz schönen Schrecken eingejagt. Ich konnte nicht einschlafen und habe dich hereinkommen hören.«
»Hättest du bloß was gesagt! Ich dachte, du würdest schlafen, und wollte dich nicht wecken.«
»Sind die Rosen wirklich für mich?«
»Ja. Ich hatte gehofft, schon viel früher fertig zu sein, bin aber bis eben in einer Konferenz festgehalten worden. Die Blumen hatte ich schon heute nachmittag bestellt. Ich wollte ganz sichergehen, daß du sie auch erhältst.«
Cassi lächelte. »Das war sehr nett von dir, danke.«
»Ich habe gehört, du wirst morgen operiert. Ich hoffe, daß alles gut geht.« Plötzlich schien er zu bemerken, daß sie im Nachthemd vor ihm saß. Er wurde rot, wünschte ihr heiser eine gute Nacht und zog sich hastig zurück.
Cassi lächelte vor sich hin. Sie griff nach dem Umschlag und zog ein Kärtchen heraus. Alles Gute von einem anonymen Verehrer. Jetzt mußte Cassi lachen. George konnte so schmalzig sein. Aber sie sah ein, daß er nach der Szene auf Ballantines Party nicht unbedingt mit seinem Namen unterschreiben wollte.
Zwei Stunden später konnte sie noch immer nicht schlafen. Verzweifelt schlug sie die Bettdecke zurück und glitt aus dem Bett. Ihr Morgenmantel hing über der Stuhllehne. Sie warf ihn über und ging auf den Korridor hinaus. Vielleicht war Robert ebenfalls wach, und die Schlaflosigkeit wäre mit einer Plauderei leichter zu überbrücken.
Wenn sie sich am Nachmittag mit ihrer Aufmachung etwas deplaziert vorgekommen war, so fühlte sie sich jetzt geradezu wie ein Delinquent. Die Gänge lagen verlassen da, und im Treppenhaus heulte der Wind. Rasch begab sich Cassi zu Roberts Zimmer, wobei sie hoffte, daß keine der Schwestern sie entdecken und in den siebzehnten Stock zurückschicken würde.
Leise schlich sie in den dunklen Raum. Nur aus dem Badezimmer, dessen Tür halb offen stand, fiel etwas Licht auf den Boden. Cassi konnte Robert nicht sehen, vernahm aber sein regelmäßiges Atmen. Lautlos trat sie an die Bettkante. Er schlief tief und fest.
Sie stand gerade im Begriff zu gehen, als ihr Blick neuerlich auf den Computerausdruck fiel. Sie nahm ihn an sich und tastete dann auf der Nachttischplatte nach dem Kugelschreiber, den sie dort am Nachmittag gesehen hatte. Ihre Finger berührten ein Wasserglas, eine Armbanduhr und schließlich den Stift. Im Badezimmer riß sie eine leere Seite aus dem Stapel, preßte sie gegen die Wand und schrieb: Konnte nicht schlafen. Habe mir das PPT-Material ausgeliehen. Bei Statistiken fallen mir immer die Augen zu. Alles Liebe, Cassi.
Als sie aus dem beleuchteten Badezimmer kam, hatte sie noch größere Schwierigkeiten, sich zurechtzufinden. Sie legte die Notiz neben das Wasserglas und wollte sich gerade zum Gehen wenden, als langsam die Zimmertür aufschwang.
Cassi unterdrückte einen Angstschrei. Eine weißgekleidete Gestalt trat in den Raum.
»Mein Gott, was tust du denn hier?« flüsterte Cassi. Einige der Computerbogen rutschten ihr aus der Hand.
Thomas, die Tür noch immer in der Hand, winkte Cassi, ruhig zu sein. Das Licht aus dem Korridor fiel auf Roberts Gesicht, aber er regte sich nicht. Als er sicher sein konnte, daß der Patient nicht aufwachen würde, bückte sich Thomas, um Cassi beim Aufsammeln der Bogen zu helfen. Wieder fragte sie ihn flüsternd: »Was, um alles in der Welt, tust du hier?«
Thomas führte sie wortlos aus dem Raum und zog die Tür hinter sich zu. »Warum schläfst du nicht?« fragte er verstimmt. »Du wirst morgen früh operiert, hast du das vergessen? Ich habe einen Blick in dein Zimmer geworfen, um mich zu überzeugen, daß auch alles in Ordnung ist, und was finde ich? Ein leeres Bett. Es war nicht schwer zu erraten, wo du wohl sein könntest.«
»Ich fühle mich geschmeichelt, daß du dir solche Sorgen um mich machst«, antwortete Cassi lächelnd.
»Das ist keineswegs zum Lachen«, sagte Thomas streng. »Du solltest längst schlafen. Was hast du um zwei Uhr morgens hier oben zu suchen?«
Cassi hielt den Computerausdruck hoch. »Ich konnte nicht schlafen, da dachte ich, vielleicht macht Arbeit mich müde.«
»Das ist doch lächerlich«, antwortete Thomas, ergriff ihren Arm und führte sie zum Treppenhaus. »Ich kann ja verstehen, daß du nervös bist, aber …«
»Die Schlaftablette hat nicht gewirkt«, erklärte Cassi, als
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