Gottspieler
PR-Abteilung erwiesen.
Als Thomas das geschmackvoll mit blaßblauen Wänden und weißem Mobiliar ausgestattete Zimmer betrat, wurde seine Aufmerksamkeit von einem Gefühlsausbruch in einer der Ecken abgelenkt.
»Warum nur, warum?« schrie eine kleine, aufgewühlte Frau.
Ein Arzt, Dr. George Sherman, versuchte sie zu beruhigen. »Aber, aber. Ich bin sicher, sie haben alles getan, um Sam zu retten. Wir wußten doch, daß sein Herz nicht normal funktionierte. Es hätte jederzeit und überall passieren können.«
»Aber er war so glücklich in dem Heim. Wir hätten ihn dort lassen sollen. Warum habe ich mich nur von Ihnen dazu überreden lassen, ihn hierher zu bringen. Sie haben mir gesagt, daß es riskant werden könnte, wenn er operiert wird, aber Sie haben mir nicht gesagt, daß schon die Katheterisierung ein Risiko bedeutet. Oh, mein Gott.«
Die Frau wurde von Tränen überwältigt. Sherman ergriff ihren Arm.
Thomas sprang Sherman bei und stützte die Frau auf der anderen Seite. Er wechselte einen Blick mit dem Kollegen, der nur leicht die Augen verdrehte. Thomas hatte keine allzu hohe Meinung von Sherman, aber unter diesen Umständen fühlte er sich verpflichtet, ihm zu helfen. Gemeinsam beruhigten sie die trauernde Mutter. Sie schlug die Hände vors Gesicht und beugte sich vor, wobei ihre Schultern unter einem neuen Tränenausbruch zuckten.
»Ihr Sohn ist auf der Röntgenstation während einer Herzkatheterisierung gestorben«, flüsterte Sherman. »Er war geistig völlig zurückgeblieben und hatte darüber hinaus physische Probleme.«
Bevor Thomas etwas dazu sagen konnte, betraten ein Priester und ein weiterer Mann, offenbar der Ehemann der Frau,den Raum und umarmten sie, was ihr neue Kraft zu geben schien. Zusammen verließen die drei das Wartezimmer.
Sherman richtete sich auf. Es war nicht zu übersehen, daß der Zwischenfall ihn mitgenommen hatte. Thomas hätte am liebsten die Frage der Frau noch einmal wiederholt, nämlich warum der Junge aus seinem Heim, in dem er sich anscheinend wohl gefühlt hatte, herausgenommen worden war, aber dann brachte er es doch nicht über sich.
»Was für ein Beruf«, seufzte Sherman und zog sich ebenfalls zurück.
Thomas musterte die Gesichter der übrigen Anwesenden. Sie betrachteten ihn mit einer Mischung aus Anteilnahme und Furcht. Jeder von ihnen hatte zur Zeit einen Angehörigen im Operationssaal, und eine Szene wie die eben erlebte war außerordentlich beunruhigend.
Campbells Tochter saß am Fenster, blaß und erwartungsvoll, die Arme auf die Knie gestützt, Hände gefaltet. Er hatte sie bereits einmal in seinem Büro gesehen und wußte, daß sie Laura hieß. Sie war eine hübsche Frau um die dreißig, mit schönem hellbraunem Haar, das ihr in einer langen Ponyfrisur aus der Stirn fiel.
»Der Eingriff ist erfolgreich verlaufen«, sagte Thomas leise.
Laura sprang auf, warf ihm die Arme um den Hals und preßte sich an ihn. »Danke«, sagte sie und brach in Tränen aus, »vielen Dank.«
Thomas ließ den Gefühlsausbruch steif über sich ergehen. Damit hatte er zuallerletzt gerechnet. Er wußte, daß die anderen sie beobachteten, und versuchte, sich von Laura zu lösen, aber sie ließ ihn nicht los. Er erinnerte sich, daß Walter Nazzaros Familie seinerzeit von derselben hysterischen Dankbarkeit gewesen war. Aber damals hatte Thomas ihr Glück geteilt. Die ganze Familie war ihm um den Hals gefallen, und er hatte sie genauso intensiv umarmt. Er entsann sich noch genau der Ergebenheit und des tiefen Respekts, die sie ihm entgegengebracht hatten. Es war ein berauschendes Erlebnis gewesen, das noch heute manchmal nostalgische Gedanken in ihm erweckte, denn in der Zwischenzeit waren seine Reaktionen viel komplizierter geworden. Nicht selten nahm er bis zu fünf Eingriffe an einem Tag vor, und meistens wußte er wenig bis gar nichts über den Patienten, mit Ausnahme der Untersuchungsergebnisse vor der Operation. Campbell war ein gutes Beispiel dafür.
»Ich wünschte, ich könnte etwas für Sie tun«, flüsterte Laura, ohne seinen Hals loszulassen. »Was immer Sie wollen.«
Thomas blickte hinunter auf die Kurve ihrer runden Pobacken, die von dem enganliegenden Seidenkleid noch unterstrichen wurde. Ihre Oberschenkel preßten sich gegen die seinen, und er wußte, daß sie so nicht stehenbleiben konnten.
Er griff nach ihren Oberarmen und löste sie mit sanfter Gewalt von seinem Hals. »Morgen früh können Sie mit Ihrem Vater sprechen«, sagte er.
Sie nickte,
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