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Gottspieler

Gottspieler

Titel: Gottspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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Wohnzimmerfenster aus sah Cassi zu, wie Thomas in der Garage verschwand. Sogar durch das dicke Glas konnte sie hören, wie der Porsche auf röhrte. Sie fragte sich, wie dieses Geräusch wohl in Patricias Wohnung direkt darüber klingen mochte. Bei dem Gedanken fiel ihr auf, daß sie Mrs. Kingsley nie besucht hatte; nicht ein einziges Mal während der drei Jahre, die sie nun schon hier lebte.
    Sie beobachtete, wie der Porsche aus der Garage rollte, die Zufahrt hinunter beschleunigte und schließlich in dem feuchten Morgennebel über den Salzdünen verschwand. Selbst als der Wagen dem Blick entzogen war, konnte sie noch gelegentlich sein Motorengeräusch hören, wenn Thomas die Gänge wechselte. Endlich war auch dieser Klang verweht, und die Stille des leeren Hauses senkte sich auf Cassi.
    Sie blickte auf ihre Handflächen und merkte, daß sie feucht waren. Zuerst glaubte sie, einen leichten Insulinschock zu durchlaufen. Aber dann wurde ihr klar, daß sie nervös war, weiter nichts. Sie stand im Begriff, in das Arbeitszimmer ihres Mannes einzudringen. Zwar war sie immer der Meinung gewesen, daß Vertrauen und Privatsphäre ebenso zu einer guten Beziehung gehörten wie Liebe und Verständnis, aber sie mußte einfach wissen, ob Thomas Beruhigungstabletten oder andere Drogen nahm. Monatelang hatte sie ihre Augen vor der Wirklichkeit verschlossen – in der Hoffnung, daß ihre Ehe von sich aus besser werden würde. Jetzt wußte sie, daß sie es nicht länger so weiterlaufen lassen konnte.
    Als sie die Tür zum Arbeitszimmer öffnete, fühlte sie sich wie ein Einbrecher, genauer gesagt, wie ein sehr schlechter Einbrecher. Jedes kleine Geräusch im Haus ließ sie zusammenfahren.
    »Mein Gott«, sagte sie laut, »stell dich nicht an wie ein Volltrottel!«
    Der Klang ihrer Stimme beruhigte sie. Als Frau von Thomas hatte sie das Recht, jeden Raum im Haus zu betreten. Dennoch kam sie sich in mancher Hinsicht wie eine Besucherin vor.
    Im Arbeitszimmer herrschte einige Unordnung. Das Couchbett stand noch offen, die Laken bildeten einen kleinen Berg auf dem Fußboden. Cassi musterte gerade den Schreibtisch, als ihr die offene Badezimmertür auffiel. Sie öffnete das Medizinschränkchen und sah sich jedes Schächtelchen und jede Dose genau an, fand aber nichts, was ihren Verdacht erhärtet hätte. Lediglich eine Dose Rasierschaum, mehrere alte Zahnbürsten, eine Packung Antibiotika, deren Verfallsdatum längst überzogen war, und noch eine Handvoll anderer frei verkäuflicher Medikamente.
    Sie wollte gerade gehen, da bemerkte sie einen farbigen Punkt auf dem weißgekachelten Boden. Sie bückte sich und hob eine kleine dreieckige, orangefarbene Pille auf, die den Stempel »SKF-E-19« trug. Form und Farbe kamen ihr bekannt vor, sie vermochte sie aber nicht auf Anhieb einzuordnen. Wieder im Arbeitszimmer, suchte sie die Bücherregale nach einem Exemplar von Chemie für Mediziner ab. Da sie keins entdeckte, begab sie sich in den Frühstücksraum und nahm ihre eigene Ausgabe zur Hand. Rasch hatte sie die entsprechende Produktidentifizierung gefunden. Es handelte sich um Dexedrine!
    Sie hielt die Pille in der Hand und starrte auf die See hinaus. Ein langes Segelboot durchpflügte die Dünung, etwa eine Viertelmeile weit draußen. Sie beobachtete das Boot einen Moment lang, während sie ihre Gedanken in den Griff zu bekommen versuchte. Sie verspürte eine eigentümliche Mischung aus Erleichterung und gesteigerter Angst. Die Angst rührte daher, daß sie nun in gewisser Weise die Bestätigung hatte – Thomas nahm Drogen. Die Erleichterung war eine Folge derTatsache, daß es sich bei Dexedrine um ein relativ harmloses Aufputschmittel handelte. Cassi konnte sich gut vorstellen, daß ein Leistungsfetischist wie Thomas gelegentlich einen »upper« nahm, um sein fast übermenschliches Pensum absolvieren zu können. Sie wußte, wie viele Operationen er tagtäglich durchführte. Und sie konnte durchaus verstehen, wie man in einer solchen Situation nach einer Pille griff, um der Erschöpfung Herr zu werden. Irgendwie paßte es zu seiner Persönlichkeit. Aber so sehr sie sich auch zu beruhigen versuchte, die Angst ließ sich nicht vertreiben. Die Gefahren von Amphetaminmißbrauch waren ihr vertraut, und sie fragte sich, inwieweit sie Schuld daran trug, daß Thomas die Pillen brauchte, und seit wann er sich ihrer schon bediente.
    Sie stellte das Buch wieder ins Regal. Einen Moment lang bereute sie es, das Arbeitszimmer betreten und die Pille

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