Gottspieler
allgemeinen, und auch heute fühlte er sich nach ein paar Minuten schon wesentlich besser. Während er sich abtrocknete, hörte er, wie die Tür zu seinem Arbeitszimmer geöffnet wurde. Er nahm an, daß es Cassi war, und machte sich daher nicht die Mühe nachzusehen, aber als er im Bad fertig war und die Tür öffnete, fand er Patricia in seinem Sessel sitzend vor.
»Hast du mich nicht hereinkommen hören?« fragte sie. »Nein«, sagte Thomas. Es war leichter zu flunkern. Er trat auf den kleinen Schrank unter dem Bücherregal zu, in dem er einige seiner frischen Sachen aufbewahrte.
»Ich kann mich noch an die Zeit erinnern, als du mich zu diesen Krankenhauspartys mitgenommen hast«, sagte Patricia klagend.
»Du bist herzlich eingeladen«, sagte Thomas. »Nein. Wenn du wirklich gewollt hättest, daß ich mitkomme, hättest du mich von selbst aufgefordert, statt zu warten, bis ich frage.«
Thomas hielt es für besser, gar nicht erst zu antworten. Es war immer besser, nichts zu sagen, wenn Patricia wieder mal in »verletzter« Stimmung war.
»Gestern abend habe ich Licht in deinem Arbeitszimmer gesehen und dachte schon, du wärst endlich einmal nach Hause gekommen. Doch statt dessen habe ich nur Cassi vorgefunden.«
»In meinem Arbeitszimmer?« wollte Thomas wissen. »Sie stand genau hinter deinem Schreibtisch«, sagte Patricia. »Was hat sie da gemacht?«
»Ich weiß nicht. Ich habe sie nicht gefragt.« Patricia erhob sich mit einem selbstzufriedenen Ausdruck. »Ich habe dir ja gesagt, mit der wird es noch Ärger geben. Aber nein! Du wußtest es natürlich besser.« Sie schlenderte aus dem Raum und zog sacht die Tür hinter sich zu.
Thomas warf die für die Party ausgewählte Kleidung auf das Sofa und ging zum Schreibtisch. Als er die Schublade mit den Drogen aufzog, war er erleichtert, die Tablettendöschen vorzufinden, wie er sie versteckt hatte – hinter dem Briefpapier. Aber auch so trieb Cassi ihn an den Rand des Wahnsinns. Er hatte ihr zehnmal gesagt, sie sollte die Finger von seinen Sachen lassen. Er spürte, wie er zu zittern begann. Instinktiv nahm er zwei Tabletten aus seinem Vorrat: Ein Percodan gegen die Kopfschmerzen, die er hinter seinen Augen wahrzunehmen begann, und eine Dexedrine, um wieder etwas wacher zu werden. Wenn er schon zu dieser Party ging, dann wollte er wenigstens munter sein.
Auf der Fahrt nach Manchester spürte Cassi sofort, daß sich die Laune ihres Mannes um hundert Prozent verschlechtert hatte. Sie hatte Patricia ins Haus kommen hören und nahm an, daß sie Thomas besucht hatte. Es war nicht sonderlich schwer zu erraten, was sie ihm erzählt haben mochte. Nachdem Thomas ohnehin nicht gerade bester Laune gewesen war, hätte sie kaum einen schlechteren Zeitpunkt wählen können.
Cassi hatte sich alle Mühe gegeben, das Beste aus ihrer Erscheinung zu machen. Nachdem sie ihre abendliche Insulindosis zu sich genommen hatte – etwas mehr als sonst, weil Zucker in ihrem Urin aufgetaucht war –, hatte sie geduscht und sich das Haar gewaschen. Dann hatte sie eins der von Robert vorgeschlagenen Kleider angezogen. Es war aus dunkelbraunem Samt, mit Puffärmeln und einer enggeschnürten Taille, so daß sie wirkte, als käme sie geradewegs aus dem Mittelalter.
Thomas äußerte sich nicht zu ihrem Aussehen. Tatsächlich sagte er überhaupt nichts. Er fuhr, genauso wie auf dem Weg von der Klinik nach Hause, rücksichtslos und schnell. Sie wünschte, sie hätte eine enge Freundin, an die sie sich wenden könnte – jemand, dem sie wirklich etwas bedeutete, aber sie hatte praktisch überhaupt keine Freundinnen oder Freunde. Einen Moment lang dachte sie an ihre letzte Sitzung mit Colonel Bentworth. Dann hielt sie den Atem an. Daß sie sich mit Maureen Kavenaugh identifizierte, war eine Sache, aber ihren eigenen Mann mit einem psychotischen Grenzfall zu vergleichen, eine ganz andere. Um sich abzulenken, starrte Cassi aus dem Fenster. Es war eine feuchte, dunkle und abschreckende Nacht.
Das Haus der Ballantines lag mit der Vorderseite zumOzean, genau wie das von Thomas. Aber damit hörten die Gemeinsamkeiten auch schon auf. Das Heim des Klinikdirektors war ein riesiges Herrenhaus aus Stein, das sich bereits seit mehr als hundert Jahren im Besitz der Familie befand. Um sich die Erhaltung des Gebäudes weiter leisten zu können, hatte Dr. Ballantine etwas von seinem Grundbesitz an einen Bauträger verkauft, aber da die ursprüngliche Länderei so riesig gewesen war, konnte man auch jetzt
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