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Grabesgrün

Grabesgrün

Titel: Grabesgrün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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vorgenommen habt, habt ihr Adam kurz aus den Augen gelassen. Er hat sich seine Schuhe geschnappt und ist wie verrückt losgerannt. Sein T-Shirt war am Rücken an mehreren Stellen aufgeschlitzt: Ich vermute, einer von euch ist hinter ihm her und hat im Laufen mit dem Messer nach ihm gestochen, aber knapp verfehlt ... Er ist entwischt. Er kannte sich im Wald noch besser aus als ihr, und er hat sich versteckt, bis ein Suchtrupp ihn fand. Was war das für ein Gefühl, Jonathan? Zu wissen, dass das alles umsonst gewesen war, dass immer noch ein Zeuge am Leben war?«
    Jonathan starrte mit hartem Blick ins Leere. Meine Hände zitterten. Ich schob sie unter die Tischkante.
    »Sehen Sie, Jonathan«, sagte Cassie, »deshalb glaube ich, dass nur zwei von euch im Wald waren. Drei kräftige Kerle gegen drei kleine Kinder, das wäre ein leichtes Spiel gewesen: Ihr hättet ihnen nicht die Schuhe ausziehen müssen, um ihnen das Weglaufen zu erschweren, jeder von euch hätte sich um ein Kind kümmern können, und Adam wäre nicht entwischt. Aber zu zweit war das schon schwieriger ...«
    »Mr Devlin«, sagte ich. Meine Stimme klang seltsam hohl. »Wenn Sie nicht dabei waren, wenn Sie derjenige waren, der ins Kino gegangen ist, um für ein Alibi zu sorgen, dann müssen Sie uns das sagen. Zwischen Mord und Beihilfe zum Mord ist ein himmelweiter Unterschied.«
    Jonathan warf mir einen bösen Auch-du-Brutus- Blick zu. »Sie sind doch nicht ganz bei Trost«, sagte er. Er atmete schwer durch die Nase. »Sie – ach, Schwachsinn. Wir haben die Kinder nicht angerührt.«
    »Ich weiß, Sie waren nicht der Rädelsführer, Mr Devlin«, sagte ich. »Das war Cathal Mills. Er hat es uns erzählt. Er hat gesagt, Zitat: ›Jonner hätte nicht in tausend Jahren den Mumm gehabt, sich so was einfallen zu lassen.‹ Wenn Sie bloß mitgeholfen haben oder nur Zeuge waren, täten Sie sich selbst einen Gefallen damit, uns reinen Wein einzuschenken.«
    »So ein Schwachsinn! Cathal hat nie und nimmer einen Mord gestanden, weil wir keinen Mord begangen haben. Ich habe keinen Schimmer, was mit den Kindern passiert ist, und es ist mir auch egal. Ich habe zu der Sache nichts zu sagen. Mich interessiert nur, wer Katy auf dem Gewissen hat.«
    »Katy«, sagte Cassie mit erhobenen Augenbrauen. »Okay, wie Sie wollen, wir kommen später nochmal auf Peter und Jamie zurück. Sprechen wir über Katy.« Sie schob ihren Stuhl mit lautem Quietschen zurück – Jonathans Schultern schnellten hoch – und ging rasch zur Wand. »Das hier sind Katys ärztliche Unterlagen. Vier Jahre unerklärliche gastritische Beschwerden, die dieses Frühjahr prompt aufhörten, nachdem sie genau das ihrer Ballettlehrerin versprochen hatte. Unser Gerichtsmediziner hat bei ihr keine Anzeichen für eine Erkrankung feststellen können. Wissen Sie, was wir daraus schließen? Dass jemand Katy vergiftet hat. So was ist ein Kinderspiel: eine Prise WC- oder Backofenreiniger, es geht sogar mit Salzwasser. Passiert andauernd.«
    Ich beobachtete Jonathan. Die wütende Röte war ihm aus den Wangen gewichen. Er war weiß, kreideweiß. Das winzige krampfartige Unbehagen in mir löste sich in nichts auf, und mir wurde klar: Er wusste es.
    »Und das war nicht irgendein Fremder, Jonathan, das war keiner mit finanziellen Interessen an der Schnellstraße und einem Groll gegen Sie. Das war jemand, der täglich Zugang zu Katy hatte, jemand, dem sie vertraute. Aber dann im Frühjahr, als sie eine zweite Chance erhielt, auf die Ballettschule zu gehen, da bekam ihr Vertrauen Risse. Sie weigerte sich, das Zeug zu nehmen. Wahrscheinlich drohte sie damit, alles zu verraten. Und nur wenige Monate später« – eine klatschende Hand auf eines der mitleiderregenden Obduktionsfotos – »ist Katy tot.«
    »Haben Sie Ihre Frau gedeckt, Mr Devlin?«, fragte ich sanft. Ich konnte kaum atmen. »Wenn ein Kind vergiftet wird, dann meist von der Mutter. Wenn Sie nur Ihre Familie retten wollten, dann können wir Ihnen helfen. Wir besorgen Mrs Devlin die Hilfe, die sie braucht.«
    »Margaret liebt unsere Mädchen«, sagte Jonathan, seine Stimme war angespannt wie eine viel zu straffe Gitarrensaite. »Das hätte sie nie getan.«
    »Was hätte sie nie getan?«, fragte Cassie nach. »Katy krank gemacht oder sie getötet?«
    »Sie hätte ihr nie was angetan. Nie im Leben.«
    »Wer bleibt denn dann noch?«, fragte Cassie. Sie lehnte an der Wand und beobachtete ihn, kühl wie ein Gemälde. »Rosalind und Jessica haben beide ein

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