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Grabesgrün

Grabesgrün

Titel: Grabesgrün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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Macken, die vor allem bei einem Detective ungewöhnlich ist. Sie lässt Dinge weg, weicht Fragen manchmal ganz unverhohlen aus und manchmal so subtil, dass man es kaum merkt, und sie kann einen unglaublich geschickt mit ihren Formulierungen in die Irre führen. Aber ich habe nie erlebt, dass sie jemandem ins Gesicht gelogen hätte, nicht mal einem Verdächtigen.
    Sie antwortete mit einem einseitigen Achselzucken. »Ich bin nicht so gut mit Paradoxen.«
    »Ich schon, glaube ich«, sagte ich nachdenklich.
    Cassie rollte sich auf den Rücken und lachte. »Das solltest du in eine Kontaktanzeige setzen. Er, einszweiundachtzig, liebt das Paradoxe –«
    »Abnorm potent –«
    »Sucht seine Britney für –«
    »Igitt!«
    Sie zog eine Augenbraue hoch, ganz unschuldig. »Nicht?«
    »Beleidige mich nicht. Britney ist ausschließlich was für Leute mit billigem Geschmack. Es müsste schon mindestens Scarlett Johansson sein.«
    Wir lachten, wurden wieder ruhiger. Ich seufzte zufrieden und legte mich auf den vertrauten Knubbeln des Sofas zurecht. Cassie streckte den Arm aus und knipste das Licht aus. »Nacht. Schlaf gut.«
    »Du auch.«
    Cassie schläft so leicht und schnell ein wie eine junge Katze. Nach ein paar Sekunden hörte ich ihre Atmung ruhiger und tiefer werden, und das kurze Stocken nach jedem Atemzug verriet mir, dass sie eingeschlafen war. Ich bin das Gegenteil: Wenn ich erst mal schlafe, brauche ich einen extrem lauten Wecker oder einen Tritt gegen das Schienbein, um wach zu werden, doch bis dahin wälze ich mich manchmal stundenlang unruhig hin und her. Aber irgendwie hatte ich bei Cassie weniger Probleme, trotz des unbequemen, zu kurzen Sofas und dem mürrischen Knarren und Quietschen eines alten Hauses, das sich für die Nacht zur Ruhe begibt. Selbst heute noch versuche ich, mir vorzustellen, dass ich wieder auf diesem Sofa liege, wenn ich nicht einschlafen kann: der weiche, abgenutzte Flanellbezug der Decke an meiner Wange, das Aroma von heißem Whiskey, das noch in der Luft hängt, das leise Rascheln von Cassie, die auf der anderen Seite des Zimmers schläft.
    Ein paar Leute kamen ins Haus gepoltert, ermahnten sich kichernd gegenseitig, leise zu sein, und gingen in die Wohnung eine Etage tiefer. Gesprächsfetzen und Gelächter drangen gedämpft durch den Boden herauf. Ich passte meinen Atemrhythmus an den von Cassie an und registrierte noch, wie mein Verstand angenehm über träumerische, unsinnige Bahnen glitt: Sam erklärte, wie man ein Boot baut, Cassie saß auf einem Fenstersims zwischen zwei steinernen Fratzen und lachte. Das Meer ist etliche Querstraßen entfernt, und ich kann es unmöglich gehört haben, aber ich stellte es mir trotzdem vor.

9
    MEINER ERINNERUNG NACH trafen wir drei uns zahllose Male nach der Arbeit bei Cassie. Die Ermittlungen dauerten nur etwa einen Monat, und bestimmt hat der eine oder andere von uns zwischendurch auch mal etwas anderes unternommen, aber im Laufe der Jahre haben diese gemeinsamen Abende für mich den gesamten Zeitraum getönt, wie eine leuchtende Farbe, die sich langsam im Wasser verteilt. Das Wetter tauchte immer mal wieder in einen frühen, kühlen Herbst ein; Wind heulte unterm Dach, Regentropfen sickerten durch die verzogenen Schiebefenster und rannen die Scheiben herab. Meistens zündete Cassie ein Feuer an, wir breiteten jeder unsere Notizen auf dem Boden aus und kauten unsere Theorien durch, dann kümmerten wir uns immer abwechselnd ums Abendessen – Cassie zauberte mit Vorliebe irgendwelche Pastagerichte, ich machte Steak-Sandwiches, und Sam brachte erstaunlich Exotisches auf den Tisch: üppig gefüllte Tacos, ein Thai-Gericht mit einer würzigen Erdnusssoße. Zum Abendessen tranken wir Wein und gingen anschließend zu Whiskey über. Wenn wir merkten, dass wir betrunken wurden, packten wir unsere Unterlagen zusammen, zogen die Schuhe aus, legten Musik auf und unterhielten uns.
    Cassie ist Einzelkind, wie ich, und wir lauschten beide fasziniert, wenn Sam aus seiner Kindheit erzählte: vier Brüder und drei Schwestern in einem alten weißen Farmhaus in Galway, mit meilenweit Land drum herum, um Cowboy und Indianer zu spielen; sie schlichen nachts aus dem Haus, um die Mühle zu erkunden, in der es spukte. Dazu ein großer stiller Vater und eine Mutter, die ofenwarmes Brot und Schläge mit einem Holzlöffel verteilte und beim Abendessen die Köpfe ihrer Kinder zählte, um sich zu vergewissern, dass keines in den Fluss gefallen war. Cassies Eltern waren bei

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