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Grabeskaelte

Grabeskaelte

Titel: Grabeskaelte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maren Schwarz
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ein anderer Kirstin getötet haben. Von Ralph weiß ich, um Arno Cortes zwielichtige Rolle bei der ganzen Sache. Er hätte sehr wohl einen Grund gehabt Kirstin zu töten, und ihm würde ich es auch zutrauen. Während ich über all das nachgedacht habe, ist mir wieder etwas eingefallen. Ich weiß nicht, ob es wichtig ist, aber ich denke, Sie sollten es wissen.“
    „Nur zu, ich bin ganz Ohr, lassen Sie hören.“
    „Ich stamme ursprünglich aus Rodewisch und ging dort auch zur Schule“, begann Senta ihren Bericht. „Corte war erst seit kurzem im Polizeidienst. Er kam sozusagen frisch von der Polizeischule. Es war mein erstes Zusammentreffen mit ihm, und es hat sich mir als äußerst unangenehm eingeprägt. Ich glaube ich muss dazu etwas ausholen.
    Damals lagen die schriftlichen Abschlussprüfungen hinter mir. Damit uns die Zeit nicht lang würde, teilten unsere Lehrer uns für gewisse Dienste in und um die Schule herum ein. Zusammen mit zwei weiteren Mädchen war ich dafür vorgesehen, den Boden aufzuräumen. Jahrelang hat sich niemand um diesen Ort gekümmert und dementsprechend sah es auch aus. Doch anstatt den Besen zu schwingen, stöberten wir in den Ecken herum. Zu unserem Entzücken fanden wir einen alten wurmstichigen Schrank voller Kostüme für die Schulaufführungen. Ich glaube, da gab es kein Teil, das wir nicht anprobierten. Vor einem halbblinden Spiegel drehten und bewunderten wir uns. Statt für Ordnung zu sorgen, stellten wir vielmehr alles auf den Kopf. Ich war es dann auch, die das alte Skelett fand. Es war in einer bedauernswerten Verfassung und bestand nur noch aus einigen wenigen Fragmenten, Hände und Beine fehlten. Sie lagen achtlos im Staub. Ich war damals kein Kind von Traurigkeit, müssen Sie wissen. Daher nahm ich eine der Hände, band sie an eine lange Schnur und ließ sie in einen der Luftschächte, die auf dem Boden endeten, hinab. Diese Schächte mündeten in die Klassenzimmer. Man konnte sie dort mittels einer Klappe verschließen, was man im Winter auch tat. Doch im Sommer waren die Schächte weit geöffnet. Also ließ ich die Knochenhand abwärts gleiten. Kurze Zeit später hörte ich, wie sie unten aufkam und über das Parkett kratzte. Die Kinder in den Klassenzimmern müssen das auch gehört haben. Als ich ihr lautes Gekreische und Gejohle von unten vernahm, zog ich die Hand schnell wieder zu mir herauf. Das Ganze wiederholte ich mehrmals in verschiedenen Räumen. Doch irgendwann wurde ich unachtsam. Es gelang einem der Lehrer, nach der Hand zu greifen und sie festzuhalten. Ich hatte keine Chance, also ließ ich die Schnur los. Natürlich sprach sich in Windeseile herum, welchen Schabernack ich mir ausgedacht hatte. Mein Klassenlehrer wies mich mit scharfen Worten zur Vernunft. Am nächsten Tag musste ich mit meinen Freundinnen auf dem Pausenhof die Bänke streichen. Aber das war es eigentlich gar nicht, was ich erzählen wollte.
    Möglicherweise von mir inspiriert, machte sich in der darauf folgenden Nacht jemand an den Luftschächten zu schaffen. Dieser Jemand hat vom Boden aus brennende Zeitungen nach unten in die Klassenräume geworfen. In einem der Zimmer, dem Biologiekabinett, brannte es daraufhin. Das Ausmaß der angerichteten Zerstörung war glücklicherweise nicht allzu gravierend, weil der in den Kellerräumen der Schule wohnende Hausmeister über einen leichten Schlaf und über eine empfindsame Nase verfügte. Er verständigte die Feuerwehr, die auch umgehend kam, um den Schaden zu begrenzen. Wegen des Vorfalls mit dem Skelett hatte man mich als möglichen Brandstifter in Verdacht. Arno Corte leitete damals die Vernehmung. Vor meiner Klasse, die sich geschlossen im Biologiekabinett versammelt hatte, musste ich Rede und Antwort stehen. Es war mir so peinlich, dass ich am liebsten im Erdboden versunken wäre. Denn mit dem Brand hatte ich nichts zu tun. Ich habe mehrmals meine Unschuld beteuert, umsonst. Arno Corte schien mir kein Wort zu glauben. Ich hatte sogar den Eindruck, dass er sich an meiner Verlegenheit weidete. Dabei musterte er mich von oben bis unten. Sie wissen schon mit diesem fiesen Blick. Ich kam mir vor, als stünde ich splitternackt vor all den anderen. Vor Scham hätte ich im Erdboden versinken mögen. Sie werden sich sicher fragen, weshalb ich Ihnen die alte Geschichte auftische? Aber das war nur die Einleitung, jetzt kommt’s: Als er sah, dass er nichts von mir erfahren würde, fing er an, sich zu langweilen. Sich seiner Macht bewusst, stolzierte er

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