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Grabeskaelte

Grabeskaelte

Titel: Grabeskaelte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maren Schwarz
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ideal. Ohne lange zu überlegen steuerte er die Pension an. Auf dem Parkplatz vor der Sparkasse, nur einige Meter vom Stadtzentrum entfernt, stellte er seinen Passat ab. Einem nicht abreißenden Strom gleich, fuhren auf der vor ihm liegenden Hauptverkehrsader der Stadt die Autos an ihm vorüber. Die Fußgängerampel nutzend, gelang es ihm die Göltzschtalstraße zu überqueren. Unmittelbar dahinter lag die Unterkunft. Während er sich seinem Ziel näherte überlegte Henning, ob der ohrenbetäubende Verkehrslärm wohl bis in die Fremdenzimmer drang. So geruhsam wie im Haus der Birkners, das stand für ihn schon jetzt fest, würde er es hier mit Sicherheit nicht haben. Aber er hatte ja auch nicht vor, sich länger als unbedingt notwendig aufzuhalten.
    Entschlossen betrat er die Pension. Er hatte Glück. Es gab noch ein freies Zimmer und der Besitzer, der sich noch an ihn erinnern konnte machte ihm zudem einen fairen, seinen Vorstellungen entsprechenden Preis. Schon wenig später hatte er sein Gepäck in einem der wenigen, dafür aber sauber und ansprechend eingerichteten Zimmer die über einer kleinen Gaststube lagen verstaut.
    Nach dem Mittagessen, das aus gutbürgerlicher Hausmannskost bestand, legte Henning sich gedanklich noch einmal die Fragen zurecht, die er Coras Mutter stellen wollte. Bevor er losging, warf er einen Blick auf seine Uhr. Es war kurz vor eins. Der Kommissar entschloss sich das Auto stehen zu lassen und zu Fuß zu gehen. Eine knappe halbe Stunde später hatte er sein Ziel, ein kleines weißgetünchtes Haus, das von einem niedrigen Jägerzaun umgeben war, erreicht. Auf einer Bank, die in der Sonne stand, saß Senta Glaser. Als sie Henning kommen sah, erhob sie sich schwerfällig, um ihm die Pforte zu öffnen. Sie sah blass aus. Ihren Bewegungen fehlte jeglicher Schwung. Mit einem müden Lächeln bat sie Henning ins Haus. Ihm vorangehend, führte sie ihn in ein kleines Wohnzimmer. Die Luft dort roch schal und abgestanden. Erschöpft ließ Senta sich in einen der beiden beige gemusterten Plüschsessel fallen. Henning nahm ihr gegenüber auf der Couch Platz.
    „Sie sehen mitgenommen aus“, begann er das Gespräch.
    „Das bin ich auch, und ob ich das bin. Ich kann nachts kaum noch schlafen. Ich mache mir Coras wegen solche Vorwürfe. Wäre ich ihr doch nur eine bessere Mutter gewesen!“
    „Ich kann verstehen, dass Sie verzweifelt sind“, versicherte ihr Henning. „Aber glauben Sie mir, es bringt nichts, wenn Sie sich deshalb zerfleischen. Cora wird davon auch nicht wieder lebendig. Sie hat ihren Frieden gefunden und ich denke nicht, dass es ihr gefallen würde, Sie hier so sitzen zu sehen. Aus eigenem Erfahren kann ich Ihnen nur raten, einen dicken Schlussstrich unter das Vergangene zu ziehen. Sie kommen sonst nie davon los.“
    Nach einigen Minuten, in denen jeder seinen eigenen trübsinnigen Gedanken nachhing, unterbrach Senta das Schweigen.
    „Sie sind sicher nicht den weiten Weg hierher gekommen, um mir das zu sagen. Also lassen Sie hören, was Sie auf dem Herzen haben.“
    „Im Beisein Ihres Schwiegersohnes, schien es mir nicht angebracht, Ihnen diese Frage zu stellen. Doch nun, da wir ungestört miteinander sprechen können, würde es mich interessieren, wie Sie die Ehe Ihrer Tochter einschätzten. War Cora Ihrer Meinung nach glücklich?“
    „Das ist aber eine seltsame Frage. Sollten Sie die nicht lieber Ralph stellen?“
    „Ich stelle Sie Ihnen und ich hätte gerne eine ehrliche Antwort darauf.“
    „Ist ja gut! Sie werden Ihre Gründe haben“, beeilte Senta sich zu sagen.
    „Cora wirkte auf mich weder besonders glücklich noch besonders unglücklich. Ich weiß, dass das keine befriedigende Antwort ist, aber so war es nun einmal. Streit hatten die beiden in meinem Beisein jedenfalls nie. Sofern ich das beurteilen kann, gingen sie immer höflich miteinander um. Ich hatte daher nicht den Eindruck, dass es in ihrer Ehe Probleme gab.“
    Senta seufzte „Was soll’s“, meinte sie. „Es wird Ihnen ja sicher schon aufgefallen sein, dass unser Verhältnis zueinander nicht das Beste war. Cora hat sich von mir zurückgezogen. Als ihr Vater damals starb, hätte sie mich gebraucht. Doch anstatt für mein Kind da zu sein, kurierte ich mein Selbstmitleid in einer Klinik. Fremde Menschen mussten sich um Cora kümmern. Sie ließ mich das fühlen, indem sie Roman und dessen Frau fortan einen höheren Stellenwert in ihrem Leben einräumte als mir. Ich kann ihr das noch nicht einmal verübeln,

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