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Grabesstille

Grabesstille

Titel: Grabesstille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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»Detective Frost, kommen Sie bitte mit mir nach draußen? Wir müssen die Absperrung überprüfen.«
    »Aber …«
    »Frost.«
    Er blickte zwischen Iris und Jane hin und her, ehe er endlich Jane nach draußen folgte. Ein dichter Nieselschleier hing noch in der Nachtluft.
    Kaum war die Tür hinter ihnen zugefallen, sagte sie: »Kannst du mir sagen, was hier los ist?«
    »Ich wollte, ich könnte es. Offensichtlich versucht jemand, ihr Angst einzujagen. Damit sie aufhört, Fragen zu stellen.«
    »Nein, ich rede von dir . Wie es kommt, dass du sie zum Essen eingeladen hast. Und dich zu ihrem ritterlichen Beschützer aufgeschwungen hast.«
    »Ich bin hergekommen, um sie zu fragen, was mit ihrer Tochter passiert ist. Das weißt du doch.«
    »Und wie ist aus der Zeugenbefragung ein gemeinsames Abendessen geworden?«
    »Wir hatten Hunger. Es hat sich einfach so ergeben.«
    »Zufälle ergeben sich einfach so. Aber mit einer Zeugin, die du vernimmst, essen gehen? Das ist etwas völlig anderes.«
    »Sie ist keine Tatverdächtige.«
    »Das wissen wir nicht.«
    »Herrgott noch mal, Rizzoli, sie ist ein Opfer! Sie hat ihren Mann bei einer Schießerei verloren, und jetzt ist sie nur noch vom Wunsch nach Gerechtigkeit beseelt.«
    »Wir wissen nicht, was sie wirklich will. Und ehrlich gesagt ist mir auch nicht ganz klar, was du willst.«
    Im Nieselregen umhüllte der gelbliche Schein der Außenbeleuchtung Frosts Kopf mit einer Art verschwommenem Heiligenschein. Sankt Barry, der Pfadfinder, dachte sie. Der Polizist, auf den man sich in allen Situationen verlassen konnte. Jetzt stand er vor ihr und wich ihrem Blick aus, das schlechte Gewissen in Person.
    »Sie tut mir leid«, sagte er.
    »Ist das alles, was du empfindest?«
    »Und ich wünsche mir nur …« Er seufzte. »Es ist neunzehn Jahre her, dass ihr Mann gestorben ist, und sie liebt ihn immer noch wie am ersten Tag. Alice hat es nicht mal zehn Jahre ausgehalten, ehe sie mich vor die Tür gesetzt hat. Ich sehe Iris an, und ich denke: Warum zum Teufel hab ich nicht eine Frau wie sie geheiratet?«
    »Die Frau könnte fast deine Mutter sein.«
    »Du verstehst mich falsch. Ich rede doch nicht davon, dass ich eine Beziehung mit ihr anfangen will. Und was hat eigentlich das Alter damit zu tun? Es geht hier um Loyalität. Es geht darum, einen Menschen sein ganzes Leben lang zu lieben, egal, was passiert.« Er wandte sich ab und sagte leise: »Ich werde nie wissen, was das für ein Gefühl ist.«
    Die Haustür ging auf, und sie drehten sich beide um, als Iris, von Tam eskortiert, das Haus verließ. Sie nickte Frost mit einem müden Lächeln zu, ehe sie in Tams Wagen stieg. Als die Rücklichter schon im feuchten Dunst verschwanden, starrte Frost ihnen immer noch nach.
    »Ich muss zugeben«, sagte Jane nachdenklich, »dass sie jetzt doch gewisse Zweifel in mir geweckt hat.«
    Er drehte sich zu ihr um. »Was meinst du?«
    »In einem Punkt hast du recht. Sie hat offenbar irgendjemanden sehr nervös gemacht. Jemanden, der so wütend ist oder sich so bedroht fühlt, dass er in ihr Haus einbricht und ein Messer in ihr Kopfkissen sticht.«
    »Was, wenn sie recht hat, was das Massaker betrifft? Wenn es gar nicht der Koch war?«
    Jane nickte. »Ich glaube, es wird Zeit, dass wir uns das Red Phoenix einmal näher anschauen.«

15
    Von hohen Hecken geschützt, lag Patrick Dions Anwesen in Brookline da wie ein privater Garten Eden, mit Wald und Rasenflächen und Wegen, die sich zwischen lauschigen Schattenplätzen und sonnenbeschienenen Blumenbeeten wanden. Das schmiedeeiserne Tor stand offen, und als Jane und Frost hindurchfuhren, sahen sie schon das Haus zwischen einer Gruppe gespenstisch weißer Birken hindurchschimmern. Es war ein wuchtiger Bau im Kolonialstil, der auf einer Anhöhe über dem weitläufigen Dion’schen Besitz thronte.
    »Was ist überhaupt eine Beteiligungsgesellschaft?«, fragte Frost, als sie an einem von Bäumen beschatteten Tennisplatz vorbeifuhren. »Das Wort höre ich in letzter Zeit ständig.«
    »Ich glaube, das sind Leute, die mit Geld Geld machen.«
    »Aber woher kriegt man das nötige Geld, um anzufangen?«
    »Von Freunden, die welches haben.«
    »Ich glaube, ich muss mir ein paar neue Freunde suchen.«
    Jane hielt in der Auffahrt, wo bereits zwei Wagen parkten, und blickte zum Herrenhaus. »Aber überleg doch mal. Du hast dieses viele Geld, dieses tolle Haus. Dann verlässt deine Frau dich wegen eines anderen. Und deine Tochter wird auf der Straße entführt. Also,

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