Grabesstille
davon hielt, wie ich versucht hatte, Parrish von Ben abzulenken, kritisierte er mich weder, noch machte er mir wegen der Ereignisse Vorwürfe. In meinen Augen der ideale Zuhörer. Daher wusste ich, dass er, als er jetzt sagte, ich solle »mit jemandem reden«, einen Therapeuten meinte.
»War nur eine Idee«, sagte er nach einer Weile. »Ich will dich zu nichts drängen.«
»Das weiß ich doch«, sagte ich, war aber erleichtert.
»Und du kannst jederzeit mit mir reden.«
Ich zog ihn enger an mich. »Ja, ich weiß. Danke.« Wir gingen ein Stück weiter, und ich sagte: »Vermutlich brauche ich mir deshalb nicht den Kopf darüber zu zerbrechen, ob ich einen Therapeuten brauche. Ich habe einen tollen Mann, und ich bin umgeben von Verwandten und Freunden – ich habe meinen Beistand. Bei Ben macht es mir aber eher den Eindruck, als hätte er nicht so viel Glück.«
»Genau das hat Jo Robinson neulich im Krankenhaus gesagt. Sie will versuchen, Bens Schwester und einige seiner Freunde zu kontaktieren, aber sie meint, in der Zwischenzeit könnte Ben jede moralische Unterstützung brauchen, die er von uns bekommen kann. Allerdings fürchtet sie, dass du dich nicht um dich kümmerst.«
»Wo wohnt seine Schwester denn?«, fragte ich, um das Gespräch von Jo Robinson und ihren Befürchtungen wegzulenken.
»In Iowa.«
Die Hunde kamen herbei und schüttelten Wasser auf uns, was uns zum Schimpfen und Lachen gleichzeitig veranlasste. Eine Zeit lang gingen wir nur dahin und sahen ihnen zu.
Bingle amüsierte sich königlich. Heute war er zweifellos fröhlicher gewesen als je, seit wir ihn mit zu uns genommen hatten. Mir kam in den Sinn, dass David bei Bingles hohem Ausbildungsstand sicher wesentlich mehr Stunden mit ihm gearbeitet hatte als wir mit unseren Hunden. An wie viele Spaziergänge pro Tag war der Hund gewöhnt? Würde er seine Fähigkeiten verlieren, wenn wir ihn nicht trainierten?
Die drei Hunde kamen gut miteinander aus und begannen ein harmloses, aber wildes Spiel – sie schnitten sich gegenseitig den Weg ab, purzelten effektvoll durch den Sand und scheuchten einander ins Wasser, um dann wieder den Strand hochzujagen.
Frank sagte: »Ich habe über die Vordertreppe nachgedacht.«
Ich blieb stehen. »Die Vordertreppe?«
»Ich glaube, ich könnte mit Petes und Jacks Hilfe eine Rampe bauen. Wir müssten auch ein paar Veränderungen im Badezimmer vornehmen, uns vielleicht eines dieser praktischen Duschdinger besorgen und einen Sitz. Dr. Riley kann uns bestimmt eine Liste von Dingen geben, auf die wir von allein nie kommen würden.«
»Frank –« Ich schluckte schwer. »Du musstest schon mit meinem fünfundzwanzigjährigen Cousin zusammenleben …«
»Wie die meisten jungen Männer hatte Travis Besseres zu tun, als ständig im Haus herumzuhängen. Du weißt, dass es mir nichts ausgemacht hat, ihn bei uns zu haben. Ich mag ihn.«
»Aber Ben – er bekommt mit Sicherheit Probleme, Frank. Er hatte ja auch schon vor diesen ganzen Ereignissen Probleme. Momentan ist nicht gerade die beste Phase in Ben Sheridans Leben.«
»Hast du etwas gegen ihn?«
»Letzte Woche hätte ich diese Frage mit ›ja‹ beantwortet.«
»Und jetzt?«
»Ich glaube, ich sehe alles etwas anders. Die Situation hat mich gezwungen, einige Zeit mit ihm zu verbringen, als er eigentlich besonders bösartig hätte sein müssen. Doch stattdessen kamen seine besten Seiten zum Vorschein.«
Wir drehten um und gingen zurück. Frank sagte: »Ich habe dich dort oben vor Parrish gefunden, weil Ben – obwohl er offenbar vor Schmerzen halb wahnsinnig war – die Idee hatte, mir Bingle auf die Suche nach dir mitzugeben.«
»Du hättest mich auch so gefunden.«
»Mag sein«, sagte er. »Aber wer weiß? Solange Parrish auf freiem Fuß ist, wäre ich dieses Risiko nicht gern eingegangen. Das andere ist – du kennst doch die alte Geschichte darüber, wenn man jemandem das Leben rettet?«
»Dass man dadurch verantwortlich dafür wird? Du willst mir doch nicht einreden, dass Ben deswegen bei uns wohnen soll?«
»Nein, aber es besteht jetzt eine Verbindung zwischen euch beiden, einfach weil ihr das gemeinsam überlebt habt.«
»Eine Verbindung? Frank, vielleicht sollte ich eines klarmachen –«
»Nicht nötig«, sagte er mit fester Stimme. »Ich vermute überhaupt nichts dergleichen.«
»Warum nicht?«, fragte ich, und er lachte.
»Keine Sorge – ich bezweifle nicht, dass du für andere Männer attraktiv bist.«
»Du glaubst also, dass Ben schwul
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