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Grabesstille

Grabesstille

Titel: Grabesstille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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okay?«, fragte er mich.
    Ich nickte. »Ein langer Tag, weiter nichts.«
    Er schnaubte einmal ungläubig, drängte mich aber nicht dazu, auf der Stelle mein Innerstes zu entblößen. Ich war ihm dankbar dafür.
     
    Am Ende des Plankenwegs halfen wir Ben wieder über den Sand zur Treppe zurück, doch diesmal wirkte er verlegen. Wir ließen die Hunde vorausgehen, dann folgten J. C. und Ben. Als wir oben an der Treppe anlangten, beobachteten J. C. und Ben Bingle, der den Kopf hob und schnaubende Laute von sich gab. Die anderen Hunde versuchten seinem Beispiel zu folgen. Er blickte mit nach vorn gelegten Ohren zu Ben zurück und bellte.
    »Mein Gott«, sagte Ben. »Er schlägt Alarm.«
    »Sprechen Sie mit ihm«, riet ich und umfasste Frank fester. Ich war beeindruckt. Ben gab fehlerlos eine Reihe von Ermunterungen auf Spanisch von sich. Dann machte er eine Geste und sagte »¡Búscalo!« Bingle konzentrierte sich ebenso intensiv auf Ben wie früher auf David, raste dann schnurstracks mit erhobenem Kopf die Straße hinab und schnupperte.
    Ein paar Häuser vor unserem begann Bingle erneut zu bellen. Er wartete auf Ben, jaulte und schlich näher an den Van heran, ging dann aber an ihm vorbei und trottete eilig auf unsere Veranda.
    »O nein«, sagte ich. »Bitte nicht.«
    J. C. sagte: »Sieht aus, als hätte Ihnen jemand Rosen geschickt.«
     
    »Spät am Tag für eine Blumenlieferung«, meinte Frank.
    Doch es lag tatsächlich eine lange, goldene Schachtel mit einer roten Schleife auf den Stufen.
    »Alles zurücktreten«, verlangte Frank plötzlich. »Ben, rufen Sie den Hund –!«
    Doch Bingle hatte bereits die Pfoten auf die Schachtel gelegt, und sie rollte die Stufen herunter und ging auf. Zehn langstielige Rosen fielen heraus – und zwei lange, dunkle Knochen.
    Wir standen alle wie gelähmt da, bis Frank unsere Hunde rief, die offenbar glaubten, Bingle hätte einen sagenhaften Fund gemacht, und nun näher kamen, um zu schauen, ob er ihn mit ihnen teilen würde. Als sie den unerwartet scharfen Unterton in Franks Stimme hörten, kamen sie sofort an seine Seite getrottet.
    Ben rief Bingle und versäumte nicht, ihn auf Spanisch zu loben. Ohne auch nur einen Schritt näher an die Knochen heranzutreten, sagte er zu uns: »Femora.«
    »Beinknochen?«, fragte ich matt, doch ich wusste die Antwort bereits. Auf einmal hatte ich das Gefühl, mich auf meine eigenen nicht mehr verlassen zu können.
     

43
     
    MITTWOCH MORGEN, 13. SEPTEMBER
    Las Piernas
     
    »Die Knochen stammten von der Empfangsdame?«, fragte Jo Robinson bei meinem Termin am nächsten Morgen.
    »Das liegt nahe, aber sie … die Knochen wurden verändert. Teile ihrer Beine fehlen immer noch, und diese Knochen waren nicht einmal ganze Oberschenkelknochen. Jemand hat an ihnen herumgeschnitzt. Ben kennt jemanden, der darauf spezialisiert ist, Werkzeugspuren an Knochen zu identifizieren, und der sie untersuchen wird, aber fürs Erste glaubt er, dass es eine Motorsäge gewesen sein könnte. Sie nehmen DNS-Tests vor, um sicherzugehen, dass die Knochen von der Empfangsdame stammen. Das dauert eine Weile.«
    »Sie wirken jetzt recht gefasst in Bezug darauf.«
    »Reines Theater.«
    Sie lächelte.
    »Ich dachte, das wüssten Sie.«
    Sie lächelte weiter, sagte aber: »Ich bin keine Gedankenleserin. Sagen Sie mir doch, wie Sie in Wirklichkeit reagiert haben.«
    »Zuerst mit Angst. Aber jetzt bin ich nur noch wütend. Nein, das stimmt nicht. Ich bin wütend und verängstigt zugleich.«
    »Was glauben Sie, was er damit bezweckt hat?«
    »Mir Angst einzujagen. Mir mitzuteilen, dass er weiß, wo ich wohne, mir zu sagen, dass er in der Nähe ist. Er hat es geschafft – ich habe Angst. Noch mehr Angst.«
    Ich erwog, ihr noch mehr zu erzählen, aber ich wollte wieder zu arbeiten anfangen und war überzeugt davon, dass sie mir nie grünes Licht geben würde, wenn ich ihr alles erzählte. Wenn ich wieder zur Arbeit ginge und viel zu tun hätte, hätte ich nicht so viel Zeit, um mich in Erinnerungen an Menschen zu vertiefen, die in kleinen Fetzen auf einer Wiese lagen, oder an Fotos in Gräbern.
    »Ich glaube, die meisten Menschen hätten Angst, wenn sie Beinknochen in einer Schachtel auf ihrer Veranda finden würden«, sagte sie. »Was tun Sie jetzt?«
    »Tun?«
    »Um Ihre persönliche Sicherheit zu gewährleisten.«
    »Oh. Das ist das andere Problem. Frank hat einen Plan ausgearbeitet, damit ich nie allein bin. Wenn er nicht bei mir sein kann, ist jemand anders da. Unser Freund

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