Grabesstille
Hubschraubern gefragt«, sagte Travis.
»Will sie mal mitfliegen?«
»Ja, aber sie will auch selbst welche fliegen.«
»Gott steh uns bei.«
Jerry kam zum Rauchen nach oben, und Stinger und Travis schwirrten bald darauf ab. Sie schwebten über uns, leuchteten mit einem hellen Scheinwerfer aufs Dach herab und sahen mir nach, bis ich die Zugangstür erreicht hatte, so wie vielleicht jemand aufpasst, der sich vergewissern will, dass seine Freundin nach einer Verabredung sicher ins Haus kommt. Ich winkte ihnen zu und ging zur Redaktion hinunter, während ich darüber sinnierte, wie viel angenehmer diese Schicht doch durch ihre Besuche wurde, auch wenn man ihre Anreisemethode ungehörig hätte finden können.
Sie halfen mir, die Strafe zu überstehen, die Wrigley über mich verhängt hatte, ja sie erlaubten mir sogar, ihm heimlich eine lange Nase zu machen. Wenn Travis, indem er auf diese Art nach mir sah, die Überzeugung gewann, dass ich in Sicherheit war, so konnte ich damit leben.
Ich fühlte mich tatsächlich weniger verletzlich. Ja, ich parkte jetzt nahe am Haus, und Jerry begleitete mich – aus eigenem Antrieb – zum Wagen und wieder zurück. Doch diese Vorkehrungen wurden langsam Routine. Und jeden Abend, wenn ich an der Schachtel vorbeiging, kam ich mehr und mehr zu der Überzeugung, dass es doch nur ein Einbrecher gewesen war und nicht Parrish.
Die Heimfahrt nach diesen Spätschichten war stets fast frei von Verkehr, aber, genau wie die Redaktion, ein bisschen zu düster und still. Diese Nacht war Nebel aufgezogen, und als ich die dunklen, menschenleeren und diesigen Straßen entlangfuhr, ertappte ich mich dabei, wie ich an Science-Fiction-Filme dachte, in denen der Protagonist irgendwie der einzige Überlebende eines Neutronenbomben-Angriffs oder der Vernichtung durch Außerirdische ist. Er hat die Stadt für sich allein, aber niemanden, mit dem er sie teilen kann.
Tja, dachte ich, ich habe jemanden, mit dem ich sie teilen kann – ich sollte Frank anrufen. Doch ich wusste, dass er schon allein beim Klingeln des Telefons fürchten würde, dass ich in Schwierigkeiten war, und so beschloss ich zu warten. Es waren nur noch zehn Minuten nach Hause.
Immer wieder hörte ich ein leises, unregelmäßiges Poltern aus dem hinteren Teil des Vans und fragte mich, ob die Polizei ihn irgendwie beschädigt hatte, als sie ihn auf ihr Gelände geschleppt hatte. Die genaue Herkunft des Geräuschs war unklar, und ich kam auch nicht dahinter, wodurch es verursacht wurde.
Ich stellte das Radio an. Eine Talk-Show lief. Ich hörte zu, wie ein so genannter Therapeut einen Anrufer abkanzelte, der mit masochistischer Unterwürfigkeit antwortete. Ich war richtig froh um Jo Robinson und stellte einen Jazzsender ein.
Erleichtert atmete ich auf, als ich in unsere Einfahrt bog. Ich stellte das Radio ab und machte das Handy vom Aufladestecker am Armaturenbrett los, als ich auf dem Diyplay sah, dass ich Voice-Mail bekommen hatte.
Mist! Ich hätte früher nachsehen sollen. Ich drückte den Knopf, der Nachrichten wiedergibt, und fragte mich, ob Wrigley doch angerufen hatte, um mich zu kontrollieren.
Es waren zwei Nachrichten. Das verhieß nichts Gutes.
»Erste Nachricht«, verkündete die Automatenstimme des Telefondiensts. »Eingegangen heute Nacht, 0 Uhr 11.«
Nicht Wrigley, sondern John. Eigentlich sogar eine gute Nachricht. Er teilte mir mit, dass Wrigley eingewilligt hatte, meine Arbeitszeiten in eine Woche mit festen Spätschichten umzuwandeln, von Montag bis Freitag. Ich würde trotzdem nach wie vor nur Teilzeit arbeiten, aber ich müsste mich nicht mehr nach drei Stunden Schlaf am Sonntagmorgen aus dem Bett wälzen. Ich hätte das Wochenende frei.
Ich lauschte der überfreundlichen Stimme des Ansagedienstes, die sagte: »Um diese Nachricht zu wiederholen, drücken Sie die Eins. Um diese Nachricht zu löschen, drücken Sie die Zwei. Um diese Nachricht zu speichern …«
Ich drückte auf die Zwei.
»Zweite Nachricht. Eingegangen heute Nacht, 0 Uhr 16.«
Da ich damit rechnete, dass es noch einmal John sein würde, der es erneut versuchte, war ich nicht auf das gefasst, was ich zu hören bekam.
Parrishs Stimme.
»Es ist schon so lange her, dass wir uns unterhalten haben, mein Schatz. Du hast mir richtig gefehlt, aber wir hatten beide viel zu tun, stimmt’s? Sag mal, ist dein Telefon eigentlich analog oder digital? Ich habe dir jedenfalls eine digitale Nachricht hinterlassen …« Er lachte leise auf.
»Hast du
Weitere Kostenlose Bücher