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Grabesstille

Grabesstille

Titel: Grabesstille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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mich! Sie verstehen es genau!«
    Thompson wurde mit Argumenten dafür und dagegen bestürmt, in erster Linie dagegen.
    In diesem Moment trat das zweite Ereignis ein, das die Frage schließlich entschied.
    Der Wind drehte sich.
    Später dachte ich rückblickend über diesen Tag nach und fragte mich, was aus unserer Gruppe geworden wäre, wenn der Wind in eine andere Richtung geweht hätte. Doch er drehte sich, und zwar auf uns zu – eine steife Brise, die von der anderen Wiese kam, zog deren ansteigendes Ende hinauf, bis zu der Hügelkette, wo wir standen, und darüber hinaus.
    Bingle hob die Schnauze und spitzte dann die Ohren nach vorn. Er sah zurück zu David. Diesen eindringlichen Blick hatte ich am Tag zuvor schon gesehen.
    »¿Qué pasa?«, fragte David den Hund.
    Bingle wandte sich wieder der Brise zu, hob mit schnellen, kurzen Bewegungen die Schnauze, schnüffelte mit halb geschlossenen Augen, stellte die Ohren wieder auf und starrte David an. Diesmal wedelte er mit dem Schwanz.
    »Was ist denn los?«, wollte Thompson wissen.
    »Bingle schlägt Alarm«, sagte Ben.
    Thompson wandte sich mit einem Funkeln in den Augen zu Parrish. »Vielleicht brauchen wir Ihre Ortsangaben gar nicht! Vielleicht führt uns der Hund direkt hin!«
    Parrish zuckte gleichgültig mit den Achseln.
    »Ich dachte, wir müssen zur Landebahn«, wandte Manton ein.
    »Gehen Sie ruhig schon vor«, erwiderte Ben. »Wir sehen nach, worauf der Hund aus ist.«
    »Vielleicht riecht er nur die Leiche, die J. C. und Andy tragen«, behauptete Manton.
    »Nein«, widersprach David. »Er wittert es im Wind. Der Wind kommt von der Anhöhe, von der Wiese dort. Der Wind weht nicht in die richtige Richtung, um Geruch von der Leiche zu transportieren. Außerdem interessiert ihn dieser Fund jetzt nicht mehr. Da ist etwas Neues.«
    Aber Thompsons Gewissheit war erschüttert. »Was, wenn es nur ein totes Reh ist oder so was?«
    »Bei nichtmenschlichen Leichen schlägt er keinen Alarm«, entgegnete David, nachdem er Bingle angewiesen hatte, still zu sitzen. Der Hund trat von einer Vorderpfote auf die andere, wie ein Kind, das auf die Toilette muss, gehorchte jedoch. »Er hat sich schon für diese Wiese interessiert, als wir vor zwei Tagen dort vorbeigekommen sind. Ich gehe der Sache mal nach.«
    »Ich begleite dich«, sagte Ben und wandte sich dann an Thompson. »Gehen Sie ruhig zum Flugzeug. Wir holen Sie schon ein.«
    »Einholen?«, erwiderte Thompson. »Und was, wenn Sie etwas finden? Wie wollen Sie es dann ausgraben?«
    »Wir markieren die Stelle und kommen später wieder«, erwiderte Ben.
    Aber Thompsons Gedanken hatten erst am Tag zuvor um Wunschträume von einer ruhmreichen Rückkehr gekreist, bei der er eine zweite Leiche mitbrachte, und er wollte sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, diese Träume zu verwirklichen – erst recht nicht, nachdem Parrish selbst hatte durchblicken lassen, dass sich hier noch elf weitere Begräbnisstätten befanden. »Ausgeschlossen«, sagte er. »Wenn Sie bleiben, bleiben wir alle hier. Wir sitzen alle im selben Boot.«
    »Wie Sie wünschen«, meinte Ben.
    David hatte Bingle mittlerweile das Arbeitshalsband angelegt. Bingle starrte ihn eindringlich an und begann zu bellen.
    Andy und J. C. die neben der Trage gestanden hatten, waren ins Gespräch vertieft. Ich sah, wie Andy nickte. Gerade als es David gelungen war, den Hund zu beruhigen, sagte J. C. zu Thompson: »Lassen Sie uns beide mit der Leiche zur Landebahn gehen.«
    »Das ist aber eine weite Strecke für zwei Personen«, meinte Ben.
    »Stimmt«, räumte J. C. ein, »aber das schaffen wir schon. Außerdem habe ich eine Idee. Das Flugzeug müsste bald zurück sein, falls es nicht ohnehin schon auf uns wartet – das Wetter war nicht so schlecht, dass es eine Landung verhindert hätte. Wenn wir dort ankommen, rufe ich über Funk einen Hubschrauber von der Ranger-Station. Die können mich von der Landebahn abholen, und ich erkläre ihnen dann, wo Sie zu finden sind. Sie können ohne weiteres auf dieser Wiese landen. Und wenn Sie mit dem Hubschrauber abfliegen, bleiben Ihrem Gefangenen nicht mehr viele Gelegenheiten für Fluchtversuche – jedenfalls nicht so viele wie vielleicht auf einem Marsch durch den Wald.«
    Die Vorstellung, sich die Wanderung zurück zur Landebahn zu sparen, gefiel Thompson offenbar, doch er zögerte noch. »Können Sie vor Einbruch der Dunkelheit einen Hubschrauber hierher beordern?«
    »Kein Problem. Jetzt, wo uns Parrish nicht mehr auf

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