Grabesstille
starrte in den Wald. Ich war mir sicher, dass er uns sehen konnte. Auf einmal lief er los – genau auf uns zu. Ich merkte, wie sich Bingles Nackenhaare sträubten, und flüsterte: »Quieto.« Der Hund verhielt sich still.
Parrish kam immer näher, auf die Bäume zu, und mein Mund wurde trocken. Ich fasste in meinen kleinen Rucksack, zog das Messer heraus und klappte es auf. Keine großartige Waffe gegen eine geladene Pistole, aber selbst erschossen zu werden wäre noch besser, als Julia Sayres Schicksal zu teilen. Doch dann sah ich, dass Parrish einen Bogen machte und sich von uns wegbewegte.
Er ging zum Lager.
Ich strengte mich an, um seine Schritte zu hören, während ich ständig fürchtete, er könne jeden Moment hinter mir auftauchen oder aus einer unerwarteten Richtung angreifen. Ich würde mich darauf verlassen müssen, dass der Hund reagierte, wenn Parrish von irgendwoher kam.
Schon bald machte Parrish jede Menge Lärm im Lager, ohne sich auch nur im Geringsten um Geheimhaltung zu bemühen.
Es begann erneut zu regnen.
Ich kämpfte gegen die Versuchung an, deswegen zu verzweifeln. Ja, der Hubschrauber musste womöglich abwarten, bis das Wetter besser wurde, aber J. C. und Andy hatten es wahrscheinlich hinunter geschafft. Du kannst es auch schaffen, sagte ich mir. So oder so – es kommt auf jeden Fall jemand zurück zu dieser Wiese. Du musst Parrish nur ein paar Stunden aus dem Weg gehen. Es regnet ja nicht einmal heftig – vielleicht kann der Hubschrauber bei diesem Wetter sogar fliegen. Kaum hatte ich dies gedacht, als ich das entfernte Rumpeln von Donner vernahm.
Ich zitterte immer noch. Ich sagte mir, es sei die Feuchtigkeit.
Ich hatte meinen Regenumhang dabei und beschloss, das Geräusch dabei, ihn überzuziehen, zu riskieren. Die dunklen Tarnfarben des Umhangs würden sich besser in den Wald um mich herum einfügen als der Rest meiner Kleidung.
Der Regen machte es schwerer, Parrish zu hören, aber aufgrund der Geräusche von klappernden Geschirrteilen vermutete ich, dass er die Rucksäcke ausleerte.
Er konnte sich nehmen, was er wollte, dachte ich. Er konnte den Rest zerstören und mich hier im Wald sitzen lassen, in den Bergen, wo ich mitsamt dem Hund umkommen würde.
Hör auf.
Meine Muskeln verkrampften sich, mehr aus Anspannung als infolge der Anstrengung, mich ruhig zu verhalten, und ich fror.
Wenn schon. Es könnte schlimmer sein. Immerhin sind das Lebenszeichen. Du hättest auch dabeistehen können, als die Leiche aus dem Grab gehoben wurde.
Das Messer in der einen Hand, den Hund in der anderen.
Bingle hob den Kopf. Er lauschte zweifellos auf etwas. Inzwischen zitterte er nicht mehr. Ich hörte, wie sich jemand durch den Wald bewegte. Auf mich zu.
»Quieto«, flüsterte ich Bingle erneut ins Ohr. Er sah mir ins Gesicht und senkte den Kopf. Allerdings lauschte er immer noch und zuckte mit den Ohren. Ich betete.
Irgendwo vor mir machten die Schritte Halt. Bingle spannte die Muskeln an.
Nicht knurren, Bingle, bitte nicht knurren.
Die Schritte gingen weiter.
Schließlich konnte ich ihn sehen; er ging auf die Hügelkette zu. Er trug einen Rucksack – und Dukes Gewehr. Er marschierte schnell, ja, er rannte beinahe. Inzwischen lag etwas mehr Distanz zwischen uns, und ich war nach wie vor von den Bäumen verborgen, also rutschte ich in eine bequemere Stellung. Bingle wollte auf die Wiese hinaus. Ich auch, da ich die vage bis vergebliche Hoffnung hegte, dass noch jemand überlebt haben könnte, und mich fragte, ob jemand meine Hilfe brauchte. Aber wir wären sofort in Parrishs Blickfeld gewesen, wenn er sich umdrehte, um sein Werk zu betrachten, und ich war mir sicher, dass er das tun würde.
Er enttäuschte mich nicht. Eine Zeit lang verlor ich ihn aus den Augen, doch dann sah ich ihn kurz, wie er erneut in Siegerpose die Fäuste schwenkte, ganz oben auf dem Hügel. Trotz meiner innigen Wünsche wurde er nicht vom Blitz getroffen.
Bald überquerte er den Kamm und war nicht mehr zu sehen.
Bingle und ich machten uns gemeinsam auf und eilten durch den Regen auf das Grab zu. Dort erwartete uns nichts als ein Blutbad. Das Grab selbst war nun ein größeres, tieferes, geschwärztes Loch. Bingle spähte lediglich nervös hinein und wandte sich rasch wieder ab. Welche Art von Sprengstoff Parrish hier deponiert hatte, wusste ich nicht, aber offenbar hatte es ausgereicht, das Gewicht der Leiche wegzuheben, um den Zündmechanismus auszulösen.
Ein schneller Blick ins Gelände bestätigte,
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