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Grabmoosalm (German Edition)

Grabmoosalm (German Edition)

Titel: Grabmoosalm (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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ohne auch nur einen Zentimeter
auszuweichen.
    »Haben Sie denn diesmal einen Durchsuchungsbefehl?«
    Ein Dauerlächeln mit Zähnen wie aus einer Gebisswerbung wich nicht
aus ihrem sonst strengen Gesicht.
    Chili empfand es als aufdringlich und unehrlich.
    »Es geht um Mord«, trumpfte sie auf und strich sich eine
tizianfarbene Strähne aus dem Gesicht. »Ich will Frau Moser besuchen. Dazu
benötige ich keine Anordnung. Sie werden mich nicht stoppen.«
    Wenig später saß sie Frau Moser gegenüber.
    Die Moserin, in ihrem dunklen Sarg-Kostüm, stand am Fenster. Hinter
ihr an der Wand der ockerfarbene Bauernschrank mit dem Backstein als Bein.
    Chili hätte sich gern im Sitzen mit ihr unterhalten, doch da war
nichts zu machen. Sie holte zwei x-beliebige Gewehrpatronen aus der Tasche,
bettete sie auf die offene Handfläche und hielt sie der Moserin unter die Nase.
    Die Miene der Frau wirkte so teilnahmsvoll wie ein Mülleimer. Ihre
Augen tasteten die Kommissarin ab, die Patronen ließen sie links liegen.
    »Was führt Sie zu mir?«, fragte sie höflich.
    »Frau Moser, wissen Sie, dass Ihre Tochter tot ist?«
    Kein Fältchen zuckte.
    »Tochter? Welche Tochter? Wer ist tot?«
    Schwierig, dachte Chili, schwierig. Sie hatte einen Fehler begangen.
Sie hätte einen Spezialisten mitnehmen sollen. Doch dann hätten sie noch mehr
Mühe aufwenden müssen, überhaupt so weit zu kommen.
    »Ihre Tochter. Die Annemirl.« Na, dann gleich volles Geschütz. »Sie
wurde erschossen. Und das sind die zugehörigen Patronen. Mit denen sie
erschossen wurde. Sie waren in Ihrer Schürzentasche. Warum, Frau Moser? Wie
kommen diese Patronen in Ihre Schürzentasche?«
    Ein Mundwinkel hob sich. Die Frau deutete ein Lächeln an. Vielleicht
erinnerte sie sich?
    Der Mundwinkel senkte sich wieder.
    »Wer bist du überhaupt?«, fragte die Moserin und streckte Chili die
Hand hin. »Die Leute scheinen zu glauben, dass irgendwas mit meinen Augen nicht
stimmt.«
    So kam sie nicht weiter, das war sicher. Also holte Chili den Trick
aus der Tasche, den sie sich von der Rechtsmedizin geholt hatte.
    Sie hatte eine Zeitschrift mit einem Wolf auf dem Titelbild mitgebracht.
Ein Wolf, umgeben vom Grün des Waldes und der Wiesen. Er wirkte nicht gerade
wie ein verwöhntes Haustier.
    »Was ist das …?«
    Die Frage hätte sie sich sparen können.
    »Der Wolf, der Wolf, der …«, rief die Moserin erregt aus. Sie
machte den Eindruck, als wollte sie noch mehr sagen. Doch vorher wurde sie
ohnmächtig.
    Sie erkannte den Wolf auf dem Foto, verdrehte die Augen, holte
einmal tief Luft, röchelte wie ein Kanaldeckel und sank in sich zusammen. Eine
lautstarke Blähung entwich ihrem Darm, und ein ekelhafter Geruch erfüllte das
Zimmer.
    »Hat sie wieder gefurzt?«
    Eine Frau, die aussah wie ein luftiger Teenager aus den wilden Sechzigern,
hatte die Tür geöffnet. Zierlich, durchsichtig, Blümchenkleidchen bis zum Knie.
    »Wer sind Sie denn?«, fragte Chili Toledo forsch. »Sie sehen doch,
wir unterhalten uns.«
    »Wer ich bin? Hehehehehe. Fragen Sie doch die da!«
    Sie deutete mit dem Kinn zur Moserin, die sich inzwischen aufgerappelt
hatte und wieder aus dem Fenster schaute.
    Die Neue wedelte mit einer Hand vor dem Gesicht herum.
    »Hier stinkt’s vielleicht. Aber das sind wir von der da ja gewohnt.
Sie wird’s auch nicht sagen können, wer ich bin. Dann sag ich’s Ihnen halt. Ich
bin die Ottakring. Gretl Ottakring.«
    Chili blieb vor Überraschung der Mund offen stehen. Sie wusste von
einem Kollegen, dass Joe Ottakrings Mutter im Pflegeheim war. Stand sie jetzt
vor ihr?
    »War Ihr Sohn bei der Kripo?«, fragte sie die Hagere.
    »Der Wolf!«, ertönte es laut aus dem Hintergrund. »Der Wolf ist
tot!«
    »Blödsinn!«, rief die Ottakring verächtlich aus. »Der Wolf ist lange
noch nicht tot.«
    Sie trippelte zu Chili hin und neigte sich zu ihr. »Die Moserin ist
eine Mörderin«, flüsterte sie verschwörerisch. »Glauben Sie’s mir. Sie hat’s
mir selber gesagt. Eine Mörderin.«
    Chili neigte dazu, der Behauptung nicht weiter nachzugehen. Wen
sollte die Alte denn schon ermordet haben? Ihre eigene Tochter etwa? Blödsinn!
    »Genau! Mörderin!«
    Die Moserin kam aus dem Hintergrund auf die beiden zugeschossen,
legte die Hände um Chilis Hals und drückte zu.
    »Mörderin!«, schrie sie noch einmal.
    ***
    Dutzende Male hatte Joe Ottakring seine Mutter schon im
Wohnstift besucht. Meist saß sie im Casino auf der zweiten Etage und begriff
nicht, warum sie hier war. Was sie

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