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Grabmoosalm (German Edition)

Grabmoosalm (German Edition)

Titel: Grabmoosalm (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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Tiere jetzt nur mehr voneinander entfernt.
Sie standen da mit gesträubtem Fell und knurrten sich an, bereit zum Sprung.
Doch sie hatten ihre Erfahrungen miteinander schon gemacht und verhielten sich
vorsichtig. Millimeter für Millimeter näherten sie sich einander, den Kopf
gestreckt.
    Noch eineinhalb, noch einen Meter.
    Beide Köpfe zuckten mit gefletschten Zähnen vor.
    »Di daaa!«, rief der Pfeiferl aus.
    Beide würden mit Leichtigkeit seinen Arm knacken können, stellte er
sich vor.
    Dann standen sie Haut an Haut, Fell an Fell aneinander.
    Der Wolf knurrte wie ein Löwe, die Sissi wie eine Tigerin.
    Der Pfeiferl konnte in der Dunkelheit nur das Leuchten ihrer Augen
sehen.
    Sie umkreisten sich, biegsam wie junge Füchse.
    Es sieht fast aus, als würden sie sich mögen, dachte der Pfeiferl.
So wie er und die Alex unten im Dorf.
    In diesem Moment wurde er abgelenkt. Er hörte etwas. Etwas wie ein
Motorgeräusch.
    Auch die Tiere hielten inne.
    Dann irrte ein Scheinwerfer mitten durch die Bäume, zitterte,
flirrte – und auf einmal befanden sie sich mitten in grellem Licht.
    Später erinnerte sich der Pfeiferl, in einem Baumwipfel in der Nähe
einen Vogel laut singen gehört zu haben.
    Die Resi war aufgeregt. Sie hatte geglaubt zu merken, wie
ihr langsam schlecht wurde.
    Der Pfeiferl war verschwunden.
    Die Sissi war verschwunden.
    Und dicht hinter ihr ein Auto mit Verbrechern oder solchen, die auf
dem besten Weg waren, welche zu werden.
    Da tauchte im Licht des herumirrenden Scheinwerfers ein Bild auf,
das sie nie mehr würde vergessen können. Zwei Tiere mit Augen wie
fluoreszierende Spiegeleier und ein Kind.
    Beim zweiten Hinsehen lief ihr eine Gänsehaut über den Rücken.
    Ihr Pfeiferl! Er hielt sich eine Hand vor die Augen. Sie blendete
ab. Und daneben die Sissi mit – war das der Wolf? Die Gruppe hielt sich
wenige Meter neben der Forststraße auf.
    Bremsen, suchen, halten. Als sie wieder aufblickte, war der Wolf verschwunden.
Aber ihre zwei waren da! Unversehrt, wie es schien. Die Resi bekam feuchte
Augen. Sie musste eine kurze Weile sitzen bleiben, hatte das Bedürfnis, die
Stirn gegen das Lenkrad zu lehnen.
    War sie wütend oder erleichtert? Sie entschied sich zu Letzterem.
Doch für langes Nachdenken war keine Zeit. Denn sie spürte, wie draußen sowohl
der Pfeiferl wie auch der Hund unschlüssig waren und bereit wegzulaufen.
    Da wurde die Tür aufgerissen.
    »Sie sind doch die Grabmoosalm, oder? Können wir Sie kurz sprechen?«
    Ein Mann und eine Frau. Sie hielten ihr einen Ausweis hin.
    »Presse!«, rief die Frau.
    Die Resi wischte den Ausweis weg.
    »Lassen Sie mich in Ruhe!« Sie hörte sich selbst schrill brüllen.
    In diesem Augenblick geriet Bewegung in die zwei im Wald. Die Sissi
kam mit langen Sätzen angesprungen, im Nu war sie da.
    »Huch, der Hund. Ein wilder Hund!«, kreischte die Frau.
    Dann war die Presse weg.
    Der Pfeiferl schlang die Hände um die Mama, die Sissi sprang zuerst
wie ein Gummiball um die beiden herum. Dann stellte sie sich auf, legte die
dicken Pranken auf Resis Schulter und leckte vor Freude heulend ihr Gesicht ab.
Der Pfeiferl spitzte die Lippen und pfiff vor Glück. Ein lachendes Gesicht mit
funkelnden Augen.
    »Mei, wo wart ihr denn? Ihr wart auf einmal weg. Warum hast du nicht
Bescheid gsagt, Pfeiferl? Ach, bin ich jetzt froh!«
    Erst jetzt kam sie etwas zur Ruhe. Sie schaute an ihrem blau
geblümten Kleid hinunter, die Tränen liefen ihr über die Wangen.
    Erst jetzt stellte sie fest, dass sich der Geländeprotz entfernt
hatte.
    »Daa dididit daa daa daa! Dadidita didit!«
    Der Pfeiferl fuchtelte wild mit den Armen herum, deutete auf die
Dogge, die noch immer verrücktspielte, und mit dem Daumen hinter sich in den
Wald.
    Nicht jedes Mal konnte ihn die Resi verstehen. Doch diesmal war die
Botschaft eindeutig.
    »Wir haben den Wolf gesucht«, übersetzte sie. »Und gefunden! Und die
Sissi war cool!«
    Strahlend sah der Pfeiferl sie an und grinste zufrieden. Auch er
hatte verstanden.
    »Los, rein mit euch!«
    Eine Minute später hatte sie gewendet. Beim Losfahren sah sie, wie
im Wald zwei Spiegeleier aufleuchteten.
    Sissi bellte auf. Hielt kurz inne. Und bellte weiter.
    Es klang wie ihr Bellen, wenn der Briefträger kam oder der Pfarrer,
wenn er eine Halbe brauchte.
    Beide mochten die Sissi sehr.

SIEBEN
    »Sie schon wieder?«, ätzte die Heimleiterin.
    Frau Unruh war eine schmächtige Frau, die Willenskraft und Stärke
ausstrahlte. Sie erwiderte Chili Toledos Blick,

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