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Grabmoosalm (German Edition)

Grabmoosalm (German Edition)

Titel: Grabmoosalm (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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diesen Jemand gefährlich werden konnte, das galt es zu ermitteln.
    In dieser Konstellation wäre seine Mutter aus dem Schneider. Nicht,
dass er sie ernsthaft verdächtigt hätte, die Unruh ermordet zu haben. Sie war
weder der Typ für so etwas, noch hätte sie die Kraft und Stärke besessen.
    So wie sie sich geäußert hatte, könnte sie jedoch etwas wissen. Eine
Mitwisserin sein. Den Mörder oder die Mörderin also kennen. Wer käme da in
Frage? Adlmayer? Die Moserin? Einer der anderen Männer und Frauen im Heim, die
er noch nicht weiter unter die Lupe genommen hatte?
    »Hallo! Bist du noch da?«
    Lolas Stimme riss ihn aus seinen Überlegungen.
    »Das wollte ich dir mitteilen, Joe«, sagte sie. »Es wird noch eine
Weile dauern. Aber dir wird das grad recht sein. Du hast eh so viel mit deinen
Ermittlungen zu tun. Ich wünsch dir raschen Erfolg, und drück du mir die
Daumen, dass es nichts Ernstes ist.«
    Ottakring schnaufte tief. Dann blies er die Luft mit einem kräftigen
Stoß wieder aus.
    »Sehr schön«, gab er zurück und legte auf.
    Weitere Fragen hatten sich schlagartig erübrigt.
    Lolas und Joe Ottakrings Haus war fast hundert Jahre alt,
und sie waren stolz darauf. Das hellgelbe Gebäude mit den grünen Fensterläden
und den blauen Vorhängen war einst vom ersten Direktor der Wendelsteinbahn
erbaut worden, die im vergangenen Mai ihr hundertjähriges Jubiläum gefeiert
hatte.
    Damals war es ein abenteuerliches Bauvorhaben gewesen, zwölfhundert
Meter Höhenunterschied über eine Strecke von zehn Kilometern mit einer
elektrisch betriebenen Zahnradbahn zu überwinden. Hauptsächlich kroatische und
italienische Arbeiter waren eingesetzt worden, die unter heute unvorstellbaren
Bedingungen die Trasse in den Fels schlugen und sprengten.
    Lola freute sich jedes einzelne Mal, wenn sie in dieses Haus mit der
besonderen Historie heimkam. Ottakring war da nüchterner. Er hielt den Stolz
auf das Alter und die Herkunft des Hauses für übertrieben. Ein Haus war für ihn
ein Gebrauchsgegenstand wie ein Fahrrad, ein Wasserkocher oder der Heizkessel
im Keller, nur wertvoller. Einzig und allein sein orangefarbener Oldtimer-Porsche
thronte erhaben über allem.
    In diesem edlen Gerät fuhr der Kriminalrat mit Halbgas den letzten
Hügel zu seinem Haus hinauf, der Kies knirschte in der Einfahrt, das
Motorgeräusch erstarb. Langsam, den Schlüssel in der Faust, schritt er zum
Eingang. Der Bewegungsmelder schaltete. Licht ging an.
    »Hi!«
    Alle Instinkte Ottakrings waren auf einmal hellwach.
    »Hallo, Joe!«
    Verwundert sah er zur Seite. Die Streitaxt ließ er im Gürtel
stecken. Die Stimme kam aus dem Dunkel. Eindeutig Chilis Stimme. Er blieb
stehen und spuckte aus.
    »Kann ich dich kurz sprechen?«, fragte sie.
    Ottakring wies zur Tür. Ein winziges Lächeln stand in seinen
Mundwinkeln.
    Wie eine Katze kam sie aus dem Dunkel.
    »Zwei Fälle«, sagte sie, als sie drinnen waren.
    Ottakring bot ihr ein Bier an. Sie lehnte ab, er selbst holte sich eines.
Auf ihre Bemerkung hin nickte er. Er begann zu ahnen, was ihre Sorge war.
Darauf nahm er einen Schluck.
    »Der mit der Türkin und der Unruh-Fall«, nahm er ihr das Wort aus
dem Mund.
    Sie nickte.
    Er sah das Weiß ihrer Augen im Halbdunkel des Wohnzimmers und war
gespannt, was Chili von ihm wollte. Wer weiß, was den Frauen so im Kopf
herumgeht. Er machte sich einen höllischen Spaß daraus, jede Mimik aus seiner
Miene zu nehmen. Sie war so ausdrucksvoll wie ein Zahnradkranz.
    Chili Toledo war verunsichert. Unter einer zerfurchten
Stirn blickten ihre Mandelaugen hilfesuchend den früheren Chef an.
    »Verdammt, das sind doch Fälle, die wir früher spielend gelöst
haben«, sagte sie. »Aber im Moment geht bei uns gar nichts.«
    Mei, wie schaute er sie an! Nichts, aber auch gar nichts war seiner
Miene zu entnehmen. Früher, als sie zusammengearbeitet hatten und Joe noch
nicht verheiratet war, waren sie fast wie ein Liebespaar gewesen. Jedenfalls
hatte sie sich so gefühlt. Oder hatte sie es sich nur eingebildet?
    Aus unbeteiligten Augen blickte er sie an. Seine Hand griff zum
Bierglas.
    »Wie viel hast du von dem Fall mit der ermordeten Türkin mitbekommen?«,
fragte sie.
    Nachdem er einen Schluck genommen hatte, setzte er das Glas ab.
Erstmals glimmte etwas Interesse in seinen Augen auf.
    »Nur was in der Zeitung stand«, antwortete er verhalten. »Zum Tagesgespräch
unter den Menschen reicht der Fall wohl nicht aus.« Er räusperte sich. »Und im
Präsidium hat man auch nicht grad

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