Grabmoosalm (German Edition)
längst vergessen. Aber ihr Summen klang
beschwingt, brachte ihre dünnen Lippen zum Vibrieren und riss den Adlmayer mit.
»Sie hören das Wunschkonzert am Mittwochabend im Bayerischen
Rundfunk«, sagte ein sanfter Bariton. »Wir haben nur einige Mitteilungen, dann
sind wir wieder für sie da.«
Als der Adlmayer merkte, dass der Bariton aus dem Mund der Moserin
kam, zerriss es ihn fast vor Lachen.
Sie legte einen Finger auf seine Lippen, und er gehorchte.
Sie taten, als tanzten sie, ihre Arme schlangen sich um seinen Hals.
Begierde regte sich in ihren Körpern.
Dann riss er ihr die Kleider vom Leib – alles, mir nichts, dir nichts –
und zog sie ins Bett. Sie fummelten aneinander herum und liebten einander eine
Stunde, vielleicht auch länger, so lange eben, wie die Moserin danach dürstete.
Halblaute, leise, unverständliche Laute kamen aus ihrem Mund, als
sie sich ihm entgegenbäumte.
Ein andermal legte sie sich einfach neben ihn, aber immer bewegte
sich eine seiner Hände über ihren Körper. Sie vergrub ihr Gesicht an seinem
Hals oder an seiner Affenbrust, ihre Haut an der seinen. Sie roch das offene
Feuer auf der Grabmoosalm, sah das Vieh zum Fenster hereinschauen, sah sich
selbst im schwarzen Mantel entlang gefrorener Wiesen auf den Wald zugehen, den …
die … den Hund, nein, es war eine Hündin … die … die Dings …
an ihrer Seite.
»Du tust doch alles für mich, gell?«, fragte sie ihn.
Er wirbelte herum und beugte sich auf Ellenbogen über sie.
»Ja, meine Herrin – alles!«
Dann lachte er lautlos.
Zum ersten Mal bemerkte sie Mundgeruch an ihm. Sie wandte sich zur
Seite. Blickte aber noch einmal zurück, weil sie sich nicht sicher war, ob es
ihm ernst war mit dem Allestun oder nicht.
Verschwörerisch nahm sie sein Gesicht in beide Hände und drückte zu.
Übertrieben bäumte er sich auf.
Dann flüsterte sie ihm einige Sätze ins Ohr. Niemand außer ihm sollte
es hören.
Er fuhr zurück, rollte sich zur Seite und nahm die Tür ins Visier.
»Klar«, sagte er entschieden. »Machen wir. Wann?«
Sie hatte nichts anderes erwartet. In Gedanken war sie noch immer
auf ihrer Alm. Sie sah den … den Dings … Herrschaftszeiten, wieso
fiel ihr der Name von ihrem … von … von dem Buben von der Resi nicht
ein?
***
Ein ganz komisches Gefühl hatte der Seppe gehabt, seit er
der Arabella begegnet war. Ein bisschen wie Feuer innen drin. Oder vielleicht
täte Glut besser passen, überlegte er. Immer wenn er an die Bella dachte –
eigentlich vom Aufwachen in der Früh bis zum Einschlafen am Abend, beim Essen,
beim Strawanzen mit und ohne Sissi –, erschien ihr Bild vor ihm. Sie
lächelte ihn in seinen Träumen an mit ihren strahlend weißen Zähnen und der
Zahnlücke, sprach aber kein Wort mit ihm. Endlose Sekunden lang hielt sie
lächelnd seine Hand in der ihren, und der Seppe war am Ende so aufgewühlt, dass
er nicht mehr wusste, ob das, was er erlebt hatte, Wirklichkeit gewesen war
oder nicht.
Er konnte auch nicht bestimmen, ob das, was er fühlte, der Bella
zuzuschreiben war oder ob es Bauchweh war oder Schwitzen oder gar Fieber.
Auf jeden Fall war’s schön.
Ganz anders, als wenn er an seine Mam dachte. Bei ihr wusste man nie
so genau, ob man sich freuen sollte oder Angst haben musste.
Aber mit der Bella – jedenfalls hatte er so was noch nie
erlebt.
Und jetzt lagerten sie zu viert in der Höhle – die Sissi und
der Wolf Fell an Fell, und die Bella und er Rücken an Rücken. Er spürte ihre
Wärme durch sein Hemd. Am liebsten hätte er hinter sich gegriffen und die Arme
um sie geschlungen. Oder sich hingelegt und den Kopf in ihren Schoß gebettet.
Im diesigen Licht einer schon untergehenden Sonne schimmerte die
kleine Wasserpfütze in der Höhle wie flüssiges Gold. Die Wände waren von einem
durchsichtigen Blaugrau. Von der Decke tropfte alle Minuten ein dicker Tropfen
und plumpste in die Pfütze. Der und all die anderen vor ihm hatten die Lache
gebildet und dafür gesorgt, dass der Wolf immer etwas zu trinken hatte.
Das alles sah Arabella nicht. Sie hatte nur Augen für ihren neuen
Freund, den Seppe. Und Ohren für ihn.
»Die Moserin, das ist meine … meine Uroma, woaßt scho. Also die
Mutter von meiner Oma. Die Oma, die hoaßt Annemirl, und meine Mam, des is die
Resi.«
Nach dieser Einführung des Grabmoosalm-Personals drehte sich die
Bella um und hing von da an an Seppes Lippen. Er schilderte, wie der Mord an
der Oma geschehen war. Vor allem horchte sie
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