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Grabmoosalm (German Edition)

Grabmoosalm (German Edition)

Titel: Grabmoosalm (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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ja.
Aber …«
    »Und woher stammt dann Ihre Verletzung?«
    »Ja, das frag ich mich auch. Wer sind Sie überhaupt, dass Sie mir
solche Fragen stellen?«
    Es hatte keinen Zweck. Der Adlmayer wusste nichts. Gar nichts. Er
konnte sich an nichts erinnern. Nicht, dass er die Betreuerin überfallen und
gefesselt hatte. Nicht, dass er den Kühlschrank …
    »Die Moserin? Ob ich weiß, wo die ist? Keine Ahnung. Vorhin war sie
noch da.«
    Ratlos schaute Chili den Kriminalrat an.
    »Hast du so etwas in deiner Laufbahn schon mal erlebt?«
    Versonnen schüttelte Ottakring den Kopf.
    »Hübsch«, sagte er knapp.
    »Was, hübsch. Was meinst du?«
    »Na, hübsch, die neuen Ohrringe.«
    Tatsächlich hatte sich Chili am vergangenen Wochenende im
Klosterladen auf der Fraueninsel selbst neue Ohrringe geschenkt. Große goldene
Kreuze an einem dünnen Kettchen, über zehn Zentimeter lang. Fröhlich schwebten
sie über ihrer Schulter.
    Es half auch nichts, dass die Spusi zuhauf Abdrücke von Adlmayers
Pranken und seine Prints am Kühlschrank fand. Die Ermittlungslage blieb
verworren.
    Jetzt, da die Geschlossene eh vorübergehend zu einer
Offenen geworden war, beschloss Joe Ottakring, seine Mutter ein wenig
auszuführen. Sie setzten sich auf eine Bank im verwilderten Garten, abseits vom
Geschehen.
    »Mama, hast du den Krach nicht gehört?«
    »Nein. Welchen Krach?«
    Gretl Ottakring in einem von Flecken gezeichneten Kunstseidenkleid
hatte ihre Augen auf den leeren Farbeimer gerichtet, der umgekippt wenige Meter
von der Bank entfernt einsam neben der verdorrenden Thujenhecke lag.
    »Meinst du den?«, fragte sie.
    »Wie – den?«
    »Na, den Krach eben.«
    Ottakring stand auf und kniete sich neben den Eimer. »Meinst du
den?«, fragte er ebenfalls. »Was ist das denn?«
    Sie musste nicht lange überlegen. »Na, ein Krach eben. Ein weißer
Krach.«
    Ja mei. Gretl Ottakrings Sohn wusste nicht, ob er traurig sein sollte
oder nicht. Er beschloss, seiner Mutter ein paar Fragen zu stellen.
    »Welches Auto fahre ich?«
    »Wie, welches Auto? Sie haben zuerst einen Roller bekommen. Und den
haben Sie zu Schrott gefahren.«
    Das stimmte. Da war er achtzehn gewesen. Wenigstens schien sie ihn
als ihren Sohn anzuerkennen.
    »Wie heißt das Haus, in dem du wohnst, Mama?«
    Sie musste kurz überlegen. Dann begannen ihre Augen zu funkeln.
    »Nummer zweiunddreißig«, sagte sie stolz.
    Auch das war korrekt.
    Hufschmiedstraße 32 war ihre frühere Adresse gewesen, als er
noch bei ihr wohnte. Das hatte sie also noch drauf. Ereignisse und Tatsachen
von damals.
    Er machte einen letzten Versuch.
    »Ist die Moserin eine Mörderin?«, fragte er sie zum x-ten Mal.
    Ihre Augen waren ohne Verständnis. »Wieso?«, fragte sie. »Die
Moserin? Wieso?«
    Mehr war ihr nicht zu entlocken.
    Er wollte es mit Bildern versuchen.
    »Komm, lass uns wieder raufgehen.« Er nahm ihren Arm.
    Sie stützte sich ab und trippelte neben ihm her.
    Sie nahmen den Lift.
    Er lud seine Mutter in ihrem Zimmer ab, ließ die Tür offen stehen
und sah sich draußen um.
    Die Flügeltür war provisorisch installiert.
    Chili saß mit dem Adlmayer und der Betreuerin im Casino.
    Schwester Clara machte Anstalten, sich mit ihm ihre Sorgen teilen zu
wollen. Für ihn ein willkommener Anlass, sich wieder seiner Mutter zuzuwenden
und die Tür zu schließen.
    Bilder. Fotos!
    Fotos, die sie in die Vergangenheit zurückführten.
    Während er im Zimmer nach den Fotos suchte, die er ihr im Lauf der
Zeit mitgebracht hatte, hörte er es draußen weiter rumoren. Die Handwerker
taten ihre Arbeit.
    Er stieg hinauf und klappte die oberen Türen des Wandschranks auf.
Er konnte sich erinnern, dass sie die Fotos einmal von dort geholt hatte.
    »Mutter! Mama. Was sind das für Aktenordner?«
    Keine Reaktion.
    Es waren drei dicke Ordner, eine schwere Pappschachtel und Schwarz-Weiß-Fotos
im DIN-A 4-Format in Klarsichthüllen, die er sämtlich nach unten wuchtete
und vor seiner Mutter auf dem Tisch ausbreitete.
    Das oberste Foto starrte ihn an.
    Es war die Porträtaufnahme einer jungen Frau. Gerade Nase, ovales,
symmetrisches Gesicht, umrahmt von einer Bubikopf-Frisur. Was auffiel, waren
das eckige Kinn und die frischen Wangen.
    Ein morbider Glanz umgab diese Frau.
    Das Foto zeigte mit Sicherheit nicht Gretl Ottakring.
    »Mama, wer ist das? Woher hast du diese Fotos? Und die Ordner?«
    Jetzt erst bemerkte er, dass Tränen in ihren Augen standen. Der
Vorgang musste sie berühren.
    »Mama, du weißt es. Du kennst diese

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