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Grabmoosalm (German Edition)

Grabmoosalm (German Edition)

Titel: Grabmoosalm (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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Person.«
    Er hatte die Bilder aus der Folie genommen und fächerte sie wie ein
Kartenspiel auf. Es waren neun. Fotos im Porträt und solche in verschiedenen
Posen.
    Etwas an den Zügen im Gesicht dieser Frau kam ihm vertraut vor.
    »Wenn du mich jetzt belügst oder nichts dazu sagst, stehe ich auf
und gehe – und komme erst morgen wieder zurück. Und die Sachen hier nehm
ich mit!«
    Die Reaktion, die er mit seinen Worten hervorrief, überstieg seine
Erwartungen. Er schien einen Nerv getroffen zu haben.
    Gretl Ottakring war ruckartig aufgesprungen. Wieder mit dieser
Elastizität, die er ihr niemals zugetraut hätte.
    »Tu meiner Freundin nichts!«, schrie sie mit hochrotem Kopf.
    Er ließ sie kommen. Währenddessen schlug er einen der Ordner auf.
    Ihre Freundin?
    Der Ordner war auf der Innenseite beschriftet mit »Cilly Moser«.
    Er kramte seine Lesebrille hervor.
    Von draußen kroch das Tageslicht herein wie kalter Schaum und
erhellte den Raum.
    Cilly Moser. Ihre Freundin.
    Er nahm den aufgeschlagenen Ordner in die eine Hand und ein
Porträtfoto in die andere. Damit stellte er sich vor seine Mutter hin.
    »Mama! Cilly Moser. Ist das die Moserin?«
    Gretl Ottakring verdrehte die Augen.
    Ottakring befürchtete schon eine Ohnmacht.
    Doch in einer verzweifelten Geste schlug sie beide Hände vors
Gesicht und – nickte! Sie hörte nicht mehr auf zu nicken.
    Ottakrings polizeilicher Instinkt meldete sich. Rote Lichter blinkten
überall. Er spürte, dass er auf eine wichtige Sache gestoßen war.
    Er musste nicht lange blättern, um festzustellen, dass Cilly Moser
eine bekannte Bühnenschauspielerin von beachtlicher Bedeutung und mit
schillernder Vergangenheit gewesen war.
    Mit einem Schlag fügte sich in seinem Kopf vieles zusammen.
    Warum deponierte sie diese Dokumente im Zimmer seiner Mutter? Ihr
eigenes Zimmer war wegen des Unruh-Mordes durchsucht worden. Diese Überlegung
erforderte einen gesunden Geist. War die Moserin gar nicht krank? Und wenn
doch, in welchem Ausmaß?
    Die Frau hatte ein Geheimnis und wollte es bewahren. Dazu unternahm
sie die ausgefallensten Schritte. Womöglich sogar einen Mord?
    Und nun war sie geflohen.
    Wer hatte die Schließtür …?
    Sein Eindruck rundete sich mit rasender Geschwindigkeit mehr und
mehr ab. In Sekundenschnelle reifte das Puzzle zum fertigen Bild.
    Die Moserin! Da schau her!
    Er musste Chili verständigen.
    Zwanzig Meter weiter, im Gemeinschaftsraum, war sie mit der Aufklärung
der Sachbeschädigung einer Eingangstür im Altersheim beschäftigt. Sie vernahm
einen dementen früheren Catcher.
    Hier aber wäre sie in der Lage, einen Mord aufzuklären.
    Im Handumdrehen.

DREI
    Die Moserin.
    Wann würde sie je zur Ruhe kommen?
    Der schwere Rucksack störte sie. Der Lärm störte sie. Überhaupt die
ganze Stadt störte sie.
    Sie brauchte Stunden, um diesen Störungen zu entgehen. Sie kam an
der Papierfabrik vorbei, begann, die Serpentinen Richtung Grabmoosalm
hinaufzusteigen, dann war sie im Wald. Allein mit ihrem Rucksack. Das gefiel
ihr. Das verschaffte ihr ein wenig Mut in all ihrer Angst und ihrem
Verlorensein. Brachte sie zurück zu den intensiven Gedanken, die sie schon im
Grandis gehabt hatte.
    Im Dings.
    Während einer kurzen Pause setzte sie sich auf einen Baumstamm und
beobachtete die Ameisen in einem Haufen nicht weit von dem Baumstamm.
    Ein irres Gewusel.
    Sie hatte ein Gefühl, als ob sie fiele. Sie atmete und brachte dabei
ein schneidendes, pfeifendes Geräusch heraus. Verursacht durch den dünnen
Luftstrom, der sich durch ihre angstvoll verengte Kehle zwängte. Sie starrte
geradeaus und sah hinter einem verschwommenen Regenbogen die Dinge, die auf sie
zukommen würden.
    Die Dinge, die gerade hinter ihr lagen, hatte sie größtenteils
abgelegt. Sie konnte sich noch schwach erinnern, dass sie dem Hotel Dings, wo
sie gewohnt hatte, entkommen war. Auch der Name Adlmayer sagte ihr etwas, wenn
sie darüber nachdachte. Dass er es gewesen war, der ihr ziemlich radikal zur
Flucht verholfen hatte, das ruhte nur mehr schemenhaft in ihrem Kopf.
    Was aber glasklar wie ein Film vor ihr geistiges Auge trat, war ihre
fernere Vergangenheit.
    Sie war jung und sie war schön und sie war berühmt. Auf
allen Bühnen in Wien, Zürich und Bern war sie aufgetreten, sogar zweimal in Hamburg
und einmal in Amsterdam. Angefangen hatte alles mit der Bauernbühne in
Fischbachau, wo ihre Mutter sie hatte spielen lassen.
    Danach hätte Schluss sein sollen mit der Schauspielerei. Wenn es
nach

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