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Graciana - Das Rätsel der Perle

Graciana - Das Rätsel der Perle

Titel: Graciana - Das Rätsel der Perle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cordonnier
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Gesicht hatte sich verändert, war hart geworden; die Lippen waren nur noch ein schmaler Strich. Die blauen Augen verdunkelten sich zu düsterem Schwarz.
    »Diese Hunde!«, stieß er wütend hervor.
    Graciana unterdrückte den närrischen Impuls, ihm beruhigend eine Hand auf seine Hände zu legen, die sich um die breiten Lederzügel verkrampften. Die höhnische Bemerkung des Söldners, der sie nach Auray getrieben hatte, fiel ihr wieder ein. »Was hast du erwartet, Schätzchen? Das ist der Krieg!«
    Inzwischen hatte sie halbwegs begriffen, was er damit gemeint hatte. Der Ritt durch ein Land, das vom Bürgerkrieg zerrissen, von Söldnerbanden heimgesucht und vom Hunger bedroht auf den Winter wartete, hatte ihr die Augen geöffnet. Es mochte inzwischen Frieden sein, aber noch klafften überall in ihrer armen, geschundenen Heimat die Wunden des Krieges.
    »Auf Euch wartet eine Menge Arbeit«, sagte sie ruhig und riss ihn damit aus seinen düsteren Gedanken. Sie überlegte, dass er eigentlich mit etwas Ähnlichem gerechnet haben musste – weshalb sonst hätte er in erster Linie Männer, Vorräte und Werkzeug mit nach Hause gebracht?
    »In der Tat!« Sie spürte den tiefen Atemzug, der seine Brust weitete, dann trieb er sein Pferd wieder an. »Vorwärts!«
    Seine Handbewegung setzte den Zug erneut in Bewegung. Viele der Männer, die Kérven des Iles begleiteten, kamen aus der Stadt, von den Höfen ringsum und aus der Burg von Lunaudaie. Sie fragten sich genauso besorgt wie ihr Herr, was wohl mit den Menschen hier geschehen war.
    Der Lärm der Räder auf dem steinernen Pflaster erregte endlich auch die Aufmerksamkeit der Menschen hinter den Mauern. Ein Mann tauchte auf den Zinnen des Torturmes auf, und sein Schrei drang durch die Stille des hereinbrechenden Abends wie der Klang einer Fanfare. Er hatte das Banner erkannt, das der Kriegertrupp mit sich führte, das Wappen, das mit prächtigen Seidenfäden gestickt im letzten Sonnenlicht funkelte.
    »Es ist der Herr! Der Seigneur ist zurück!«
    Ein wilder Kriegsschrei antwortete ihm, der Gracianas Ohren für einen Moment völlig taub machte. Sie konnte sich gerade noch festhalten, dann gab Kérven des Iles seinem Ross die Sporen, und der schwere Hengst setzte sich mit der Urgewalt eines herabstürzenden Felsens in Bewegung. Seine Hufe donnerten auf den Steinen, er lief auf das geschlossene Fallgitter zu, das den gewölbten Durchgang zur Burg versperrte.
    Gracianas ängstlicher Aufschrei ging im Höllenlärm dieses Rittes unter. Sah Kérven denn nicht das Gitter? Hatte ihn der Wahnsinn gepackt, dass er sie in vollem Tempo gegen das schwere, mit eisernen Dornen gespickte Holzgatter werfen wollte? Voller Panik warf sie sich herum, und drückte ihr Gesicht gegen die breite Brust. Sie wollte nicht mit offenen Augen sterben! Sie wollte überhaupt nicht sterben, sie hatte ja noch nicht einmal richtig gelebt!
    Sie spürte das Beben des Lachens, das in Kérvens Brust aufstieg, und schrie in heller Panik auf. Weder hörte noch sah sie, wie sich das Gatter in quälender Langsamkeit hob und genau in dem Augenblick, als sie es passierten, hoch genug über den Bohlen schwebte, dass sie durchreiten konnten. Allerdings nur, weil der Seigneur sich selbst und sie tief auf den Hals seines Pferdes hinabdrückte.
    Graciana fühlte die Bewegung seiner Muskeln, als er die Zügel heftig anzog. Der Hengst stieg hoch, und sein Wiehern mischte sich mit dem Gelächter des Mannes und den Hochrufen der Menschen, die von überall her angerannt kamen.
    »Der Seigneur ist zurück! Dem Himmel sei Dank! Es lebe der Seigneur!«
    Nur unter Aufbietung aller Willenskraft vermochte Graciana den Kopf zu heben und die Augen zu öffnen. Sie sah sich jedoch nicht um, sie hatte keinen Blick für die Menschen, die im Burghof zusammenströmten. Sie schaute nur in das Gesicht des Reiters, das jungenhaft strahlte, während er ein zweites Mal den bretonischen Schlachtruf ausstieß, der sie eben so erschreckt hatte.
    »Was sagst du nun, meine Kleine?« Stolz lächelnd blickte er auf sie hinab.
    »Was ich sage?« Graciana zitterte noch von der gerade ausgestandenen Furcht. Sie begriff nicht, welches Vergnügen er daran fand, sein Leben so leichtsinnig aufs Spiel zu setzen und das ihre dazu. »Ich sage, dass Ihr verrückt seid! Närrisch bis auf die Knochen! Ich bin fast umgekommen vor Entsetzen! Wolltet Ihr mich töten?«
    »Weder dich noch mich, meine Schöne!« Er ließ sich von ihren Vorwürfen nicht im Geringsten

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