Gracie in Love
dich jetzt öfter sehe, freut mich natürlich. Aber dieser ganze Familienkram ist ätzend.“
„Was ist denn?“
„Ich komme mir so komisch vor, wie ein Fremdkörper.“ Gracie trank einen Schluck Limonade. „Ich weiß, damit war zu rechnen. Ich war schließlich seit ewigen Zeiten nicht mehr hier, und Vivian und Alexis wuchsen ohne ihre Schwester auf. Wir haben verschiedene Erfahrungen in unserem Leben gemacht und haben verschiedene Erinnerungen. Natürlich bin ich immer noch ihre Schwester, aber emotional gesehen bin ich trotzdem kein vollwertiges Familienmitglied.“
Jill sah sie mitleidig an. „Ich glaube nicht, dass das stimmt. Sie haben dich lieb, und du hast sie lieb.“
„Ja, das schon. Aber ich habe einfach keine Geduld mit den beiden. Alexis hat sich irgendwann zur Drama-Queen entwickelt, und Vivian ist nicht weit davon entfernt, auch so zu werden.“
Gracie berichtete von dem ewigen Hin und Her wegen der Hochzeit. „Alle fünfzehn Sekunden bricht sie einen Streit mit Tom vom Zaun, und offensichtlich hat sich Alexis seit ihrer Hochzeit mit Zeke zum Kontrollfreak entwickelt. Nur meine Mutter scheint relativ normal geblieben zu sein. Aber nachdem sie das Bild in der Zeitung gesehen hat, kam sie sofort rüber und musste mir die Leviten lesen.“
Die Details der Unterhaltung mit ihrer Mutter sparte Gracie allerdings aus – die musste sie selbst erst noch verarbeiten.
„Mein Leben ist auf einmal total kompliziert.“
„Hört sich so an.“ Jill beugte sich zu ihr. „Wie kann ich dir helfen?“
„Das tust du schon. Es ist einfach toll, mit dir zu sprechen. Abgesehen davon bin ich es leid, schon wieder im Mittelpunkt der Unterhaltung zu stehen. Also: Was ist in deinem Leben so los?“
„Emily zählt schon die Tage, bis endlich Ferien sind. Ich denke, es sind noch 34 Schultage, aber um es genau sagen zu können, musste ich im Kalender nachschauen. Wir machen schon jede Menge Pläne für die Sommerferien, unter anderem wollen wir nach Florida fahren, meinen Dad besuchen. Er und Em verstehen sich super. Ich weiß nicht, was sie spannender findet: einen Besuch bei ihrem Lieblingsgroßvater oder die Aussicht auf einen Besuch in Disney World.“
„Schwer zu sagen.“
Jill nahm ihr Glas Eistee, stellte es aber wieder hin. Mit dem Finger fuhr sie eine Linie auf dem bunten Platzset nach.
„Was hast du?“, fragte Gracie mit einem Lächeln. „Du hast ein Geheimnis, das du unbedingt loswerden willst, das sehe ich doch. Komm, erzähl’s mir. Du weißt, du kannst mir vertrauen.“
„Ich weiß. Darum geht es auch nicht. Es ist nur ...“ Jill biss sich auf die Unterlippe, dann errötete sie. „Mac und ich haben uns überlegt, dass wir ein gemeinsames Baby wollen.“
Gracie lachte. „Wirklich? Wie cool!“
„Hoffentlich klappt es auch bald. Ich freu mich total, bin aber auch supernervös.“
„Du wirst bestimmt eine tolle Mutter sein. Bist du ja schon bei Emily.“
„Ich vergöttere die Kleine“, gestand Jill ihr. „Aber als ich sie kennenlernte, war sie ja schon größer. Ich weiß nicht, wie ich mit einem Baby klarkomme.“
„Vermutlich so wie jede andere Frau, die zum ersten Mal Mutter wird. Mit ganz viel Liebe, Geduld und Angst.“
„Da sagst du was. Mac wünscht sich einen Jungen.“
„Typisch.“
„Ich hätte auch nichts dagegen. Du siehst, ich bin aufgeregt und habe totale Panik. Eine interessante Kombination.“
Gracie hielt ihr Glas hoch. „Ich gratuliere!“
Jill grinste. „Ich bin noch nicht schwanger.“
„Ich weiß, aber das wird nicht lange dauern. Dann werde ich ja doch endlich Tante!“
Die Mittagspause mit Jill hatte Gracie in beste Laune versetzt. Sogar der anschließende Besuch bei Pam in der Küche des Bed & Breakfast und das kurze Verhandlungsgespräch hatten ihrer guten Laune nichts anhaben können. Bevor sie zurück nach Hause fuhr, musste sie allerdings noch eine unangenehme Sache erledigen. Eine Wurzelbehandlung hätte sie eindeutig vorgezogen.
Aber sie konnte es nicht länger hinausschieben. Also fuhr sie ins Stadtzentrum und parkte in einer Seitenstraße. Dann ging sie die First Avenue hinunter, an der Bank vorbei. Dabei betrachtete sie das gepflegte Gebäude, machte aber einen großen Bogen um den Eingang.
Innerhalb der folgenden fünf Minuten ging sie noch drei Mal vor der Bank auf und ab, unschlüssig, ob sie hineingehen sollte oder nicht. Gerade als sie zu dem Entschluss gekommen war, ihre Mitteilung telefonisch zu übermitteln, trat eine
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