Gracie in Love
gedrückt.
„Das Wohnzimmer“, erklärte er und deutete mit der freien Hand nach links.
Sie ging hinüber, er neben ihr her. Seine Hand lag jetzt auf ihrem Rücken.
Eine mit Schnitzereien verzierte Doppeltür öffnete sich zu einem großen Raum, der mit antiken Möbeln und wunderschönen orientalischen Teppichen eingerichtet war. Das Mobiliar war herrlich altmodisch. Schwere Samtvorhänge waren vor die Fenster gezogen.
„Wie dunkel ist es hier drin tagsüber?“, fragte Gracie. „Durch diese Vorhänge dringt doch kein Fitzel Licht.“
„Ich habe keine Ahnung“, musste er zugeben. „Ich benutze das Zimmer eher selten.“
Ans Wohnzimmer angrenzend befand sich eine Art Salon, dann eine Schlafzimmersuite mit eigenem Wohnzimmer und Bad.
„Fürs Hausmädchen“, mutmaßte Gracie.
„Ich habe nur eine Putzfrau, die zweimal in der Woche reinkommt.“
Die riesige Küche war wohl seit den 1950er-Jahren nicht modernisiert worden. Sie war so groß, dass man hier hätte Bankette abhalten können. Schränke bis zur Decke, manche davon noch mit den Original-Bleiglasscheiben. Eine Anrichte von mehreren Quadratmetern Fläche. Würde man die alten, angeschlagenen Kacheln durch eine schicke Granitoberfläche ersetzen, wäre das ein super Arbeitsbereich. Doppelspülsteine auf beiden Seiten des Raums und dazu eine begehbare Speisekammer, in der bequem eine vierköpfige Familie Platz finden könnte. Diese Küche war ein Paradies.
„Du musst das dringend renovieren lassen“, sagte Gracie. „Falls du ein paar Vorschläge brauchst, wende dich ruhig an mich. Ich kann den ganzen Tag damit verbringen, Küchenausstattungskataloge zu studieren.“
„Ich hab’s mehr mit auswärts essen oder mir was in der Mikrowelle warm machen.“
Natürlich. Er war ja ein Mann. Aber dass diese wunderbare Küche brachlag, ärgerte sie.
„Die vielen Zimmer in diesem Haus machen mich überhaupt nicht neidisch, auch nicht die Bibliothek und die Antiquitäten. Aber aus dieser Küche möchte ich gar nicht mehr rausgehen.“
„Mach mir ein Angebot“, schlug er vor.
Gracie lehnte sich an die Anrichte. „Dafür reicht mein Scheckbuch wohl nicht.“ Sie neigte den Kopf. „Das war kein Witz, oder? Du willst das Haus verkaufen?“
„Natürlich. Das hier ist nicht mein Zuhause.“
„Und wo ist dein Zuhause?“
„Auf der jeweiligen Ölplattform, auf der ich arbeite.“ Er zog einen Barstuhl heran und bot ihr einen Patz an. Dann holte er sich selbst einen zweiten Stuhl. „Ich bin es gewohnt, während wechselnder Schichten mit fünf anderen Jungs in einem engen Quartier zu schlafen. Eine Ölplattform ist vierundzwanzig Stunden in Betrieb.“
Sie konnte sich nicht vorstellen, wie das war. „Du hast mal was vom Südchinesischen Meer gesagt. Wie bist du denn dahin geraten?“
„Als ich von hier weggegangen bin, bin ich erst mal Richtung Norden gezogen. Ich landete in Alaska und fand Arbeit auf einem Boot für Sportfischer. In der Kneipe habe ich dann zwei Jungs kennengelernt, die gerade eine Mannschaft für eine Ölplattform zusammenstellten, die sie gekauft hatten. Die großen Ölmultis behaupteten, dort gäbe es kein Öl mehr. Aber die beiden waren anderer Auffassung.“
„Und du hast dich ihnen einfach so angeschlossen?“
Riley grinste. „Ich wollte was erleben. Glücklicherweise hatten die beiden recht. Es ist ein verdammt harter Job, aber es lohnte sich. Ich lernte und übernahm die Leitung der zweiten Plattform, von der sie einen größeren Anteil gekauft hatten. Zehn Jahre später wurde ich ihr Partner. Unsere Firma spielt mit im Konzert der Großen.“
„Der böse Junge hat’s geschafft. Du bist sicher stolz auf dich.“
Gelassen zuckte er mit den Schultern. „Meine Art, Geld zu verdienen.“
„Aber jetzt bist du Bankdirektor.“
„Ach ja. Die Bank.“
Ihr Blick schweifte durch die große Küche. „So was bist du also gar nicht gewöhnt, was?“
„Mir ist das alles zu groß. Ich weiß auch nicht. Diese alte Bude ist mir zu leer. Hier gibt es Dutzende von Räumen, in denen ich noch nicht ein Mal drin war.“ Er strich mit seinen Fingern über die Anrichte. „Meiner Mutter hätte es gefallen. Sie ist hier aufgewachsen.“
„Wirklich? Das wusste ich gar nicht. Warum ...?“
Gracie verstummte. Das ging sie nun wirklich nichts an.
„Frag ruhig. Sie und ich kamen nicht hierher, als wir nach Los Lobos zurückkehrten, weil ihr Bruder, also mein Onkel, ihr nie verzeihen konnte, dass sie meinen Vater geheiratet hat.
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