Gracie in Love
vermied jeden Augenkontakt. Offensichtlich ging die Strategie auf, denn niemand nahm auch nur annähernd Notiz von ihr.
Eine halbe Stunde später ertappte sie sich dabei, wie sie Riley buchstäblich an den Lippen hing. Er sprach über die Stadt und darüber, dass jeder einzelne Bürger verantwortlich dafür war, „wohin die Reise ging“. Wie jeder ein Vorbild sein konnte, indem er zum Beispiel lokalen Firmen den Vorzug gegenüber internationalen Konzernen gab oder seinen Abfall richtig entsorgte, statt einfach alles in der Gegend abzuladen. Er sprach darüber, dass der Tourismus zwar eine wichtige Einnahmequelle für Los Lobos sei, er aber nicht allein über die Entwicklung der Stadt entscheiden dürfte.
Gracie war ganz begeistert und wünschte sich plötzlich, dazuzugehören. Sie richtete sich auf und applaudierte – bis sie plötzlich hinter sich jemanden flüstern hörte: „Ist das nicht Gracie Landon? Die Frau aus der Zeitung?“
Sie drehte sich um und sah, wie mehrere Zuhörer in ihre Richtung schauten. Frauen stießen ihre Ehemänner an, ältere Leute beugten sich zu ihren Sitznachbarn hinüber und starrten dann wieder sie an.
Ganz klar: Sie saß in der Falle und fühlte sich, als wäre ein Scheinwerfer auf sie gerichtet. Sollte sie die Aula verlassen oder lieber so tun, als hätte sie nichts bemerkt? Den Leuten zuwinken und lächeln?
In diesem Augenblick beendete Riley seine Rede, und alle standen auf, um ihm Beifall zu spenden. Als die Menge sich aufzulösen begann, versuchte Gracie, durch den Seiteneingang zu verschwinden. Doch dabei geriet sie in eine Schlange von Personen, die dem Redner die Hand schütteln wollten. Bevor sie sich’s versah, stand sie Riley gegenüber.
„Ich wäre besser nicht gekommen“, entschuldigte Gracie sich, als sie seinen erstaunten Blick registrierte. „Aber ich dachte, es würde keinem auffallen.“
„Du bist herzlich willkommen – wenn du versprichst, mir deine Stimme zu geben.“
„Ich bin in diesem Wahlbezirk leider nicht registriert.“
„Das können wir ändern.“
Die Leute rückten immer enger an sie heran, damit ihnen auch ja keines ihrer Worte entging. Natürlich würden sie alles brühwarm ihrer Mutter berichten. Vielleicht lachten auch einige von ihnen heimlich über sie. Das war Gracie in diesem Moment allerdings vollkommen egal.
„Ich fand es gut, was du gesagt hast“, lobte sie Riley. „Es ist richtig, dass jeder einzelne Bürger von Los Lobos darüber entscheiden soll, was mit dieser Stadt geschieht, anstatt die Touristen entscheiden zu lassen.“
„Danke.“
Was er gerade dachte, konnte sie beim besten Willen nicht erahnen. Nicht wo so viele Leute um seine Aufmerksamkeit buhlten. Also verabschiedete sie sich und ging davon – und traf dabei ausgerechnet Zeke.
„Was machst du denn hier?“, begrüßte er sie.
„Ich habe deinem Kandidaten zugehört.“
Ihr Schwager war ein gut aussehender Kerl mit einem gewinnenden Lächeln. Er machte einen sympathischen Eindruck, und Gracie verstand, warum Alexis ihn geheiratet hatte.
Zeke sah sich um. „Du ziehst ziemlich viel Aufmerksamkeit auf dich. Vielleicht sollten wir woanders hingehen, damit sich die Leute besser auf Riley und seinen Wahlkampf konzentrieren können als auf die Legende der Stadt.“
Er führte sie zu einer Seitentür und von dort auf den Parkplatz. Gracie wusste, dass sie das alles nichts anging, aber sie musste ihn fragen. Bevor er wieder in der Schule verschwinden konnte, hielt sie ihn am Arm fest.
„Warum sagst du Alexis nicht, was du treibst? Sie macht alle Welt verrückt mit ihren Sorgen, obwohl du vermutlich der Hauptleidtragende bist.“
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen.“
„Aber du machst doch etwas.“
„Und was geht dich das an?“
Gracie fixierte ihn. „Das soll jetzt ein Witz sein, oder? Deine Frau hat mich gezwungen, dich durch die halbe Stadt zu verfolgen, dir nachzuspionieren, Fotos zu machen und an Orten aufzutauchen, an denen ich nicht sein wollte. Nur damit sie weiß, was du treibst!“
Zeke scharrte mit den Füßen. „Gut, du hast recht. Es ist nur so ...“ Er zuckte mit den Schultern, dann wandte er sich ab. „Ich mache nichts Schlimmes. Ich betrüge sie nicht, und ich habe auch nicht vor, sie zu verlassen. Ich gebe auch kein Geld aus oder so was. Ich brauche nur noch ein bisschen Zeit. Ich schwöre dir, dann werde ich es ihr sagen.“
Das war zwar auch keine wirklich zufriedenstellende Antwort, aber besser als nichts. „Ich kann
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