Gracie in Love
davon anfängt. Wenn es um diesen Jungen geht, hast du doch noch nie Verstand bewiesen!“
Gracie stellte ihr Glas hin und verschränkte die Arme vor der Brust. „Erstens ist er kein Junge mehr. Er ist ein erfolgreicher Mann, der viel erreicht hat. Vorher kannte ich ihn kaum, jetzt kenne ich ihn. Er ist toll. Nein, mehr als das. Er ist wunderbar. Er ist intelligent und sexy, und es macht Spaß, mit ihm zusammen zu sein.“
Ihre Mutter zuckte zusammen. „Oje! Das ist ja schlimmer, als ich dachte.“
„Es ist überhaupt nichts.“ Gracie versuchte, die Ruhe zu bewahren. „Und genau darum geht es. Du regst dich völlig umsonst auf. Ich bin nicht besessen von Riley. Ich bin inzwischen ein erwachsener Mensch, ich habe mein eigenes Leben. Ich hatte Freunde, Beziehungen, Liebhaber, und vor zwei Jahren hätte ich mich beinahe sogar verlobt. Wenn einer von uns in der Vergangenheit stehen geblieben ist, dann bist du es!“
„Du bekommst einfach nicht mit, was los ist“, sagte ihre Mutter bestürzt. „Ich weiß gar nicht, wie ich dir helfen kann.“
„Ich gebe dir einen Tipp: Ich brauche deine Hilfe nicht. Das war vielleicht vor vierzehn Jahren anders, aber in Wirklichkeit hast du dich auch damals schon nicht für mich interessiert. Du hast mich einfach weggeschickt. Du warst nie da für mich, nicht einmal, als ich dich angefleht habe, mich zurück nach Hause zu holen. Es war dir immer vollkommen egal, was ich mir gewünscht, was ich gebraucht habe. Ich wäre so gerne zu meiner Familie zurückgekehrt, aber du hast mir den Rücken zugewandt. Egal, ich bin darüber weggekommen. Ich wurde erwachsen, auch ohne deine Hilfe. Und weißt du was? Es ist mir scheißegal, was du über mich oder Riley oder irgendjemanden sonst denkst. Ihr drei habt mich gebeten, wegen Vivians Hochzeit zurückzukommen. Ich habe meine Hilfe zugesagt, und ich stehe zu meinem Wort. Aber sobald der ganze Quatsch vorbei ist, bin ich sofort wieder weg und komme garantiert nicht wieder!“
Und damit ließ Gracie ihre Mutter stehen und ging zurück ins Wohnzimmer.
„Ich glaube, ich weiß jetzt, was ich will“, rief Vivian aufgeregt.
„Dann zeichne es mir auf“, erwiderte Gracie und schnappte sich ihre Handtasche.
„Wo willst du denn hin? Warte! Ich muss dir doch noch sagen, was ich haben will, damit du mir einen Entwurf machen kannst! Gracie! Warte!“
Doch Gracie sah sich nicht einmal um. Sie ging zu ihrem Auto, stieg ein und fuhr davon. Ihr Herz klopfte so laut, dass sie Angst bekam, es würde zerspringen. Sie zitterte und war ganz benommen. Es war ein Gefühl, als wäre sie überfahren worden.
Seit sie zu ihrer Tante und ihrem Onkel gezogen war, hatte sie sich vorgestellt, wie es sein würde, wieder nach Hause zu kommen. Wochenlang wartete sie darauf, dass ihre Mutter anrufen und ihr sagen würde, es sei alles nur ein Missverständnis gewesen. Doch der Anruf war nie gekommen, und irgendwann hatte Gracie damit aufgehört zu warten.
Als Nächstes redete sie sich ein, dass ihre Familie ihr egal war. Sie war in den Ferien nie nach Hause gefahren, sondern traf sich mit ihrer Familie in L. A. oder sonst wo. Das war zur Tradition geworden.
Aber jetzt fragte sich Gracie, ob sie Los Lobos nicht aus einem anderen Grund gemieden hatte: aus Enttäuschung. Denn bei ihrer Rückkehr wäre sie automatisch mit dem konfrontiert worden, was damals geschehen war. Dem hätte sie nicht entgehen können.
Und jetzt war es genauso gekommen. Wegzubleiben war in der Tat eine gute Idee gewesen.
An einer roten Ampel hielt sie und überlegte, was sie jetzt machen sollte. Es gab mehrere Möglichkeiten, unter anderem auch die, ihre Sachen zu packen und zurück nach L. A. zu fahren.
„Ich werde nicht davonlaufen“, sagte sie laut zu sich selbst und versuchte, hart zu klingen und nicht enttäuscht.
Ihr war allerdings auch die Lust vergangen, jetzt nach Hause zu fahren. Schließlich fuhr sie zur Highschool, parkte auf dem Schulparkplatz und ging in die Aula, um Riley Whitefields Vortrag über die Verantwortung der Bürger zu lauschen. Sie konnte ja gemeinsam mit Eunice Baxter seinen Ohrring bewundern.
Doch sie setzte sich nicht in die vorderste Reihe, sondern schlüpfte durch den Seiteneingang hinein und nahm ganz hinten in der Ecke Platz. Obwohl sie ihre Mutter davon hatte überzeugen wollen, dass es ihr egal war, was man in der Stadt über sie dachte oder über sie und Riley, wollte sie es nicht auf die Probe stellen.
Sie kauerte sich auf ihren Stuhl und
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