Gracie in Love
bis weit nach Mitternacht wach gehalten hatte. Bohrende Gedanken hatten den Rest erledigt. Sie war total erschlagen, mürrisch und im Moment auch noch stinksauer.
Auf der Titelseite der Lokalzeitung prangte ein halbseitiges Bild von Riley. Er hatte ein Handtuch um den Kopf gewickelt und sah aus, als wollte er sich vor der Kamera verstecken, obwohl er sich lediglich die Haare abtrocknete. Noch schlimmer waren die Kratzer auf seiner Brust. Sie verrieten nichts von den Ereignissen auf dem Nachbargrundstück. Nein, sie sahen aus, als stammten sie von einer wilden Liebesnacht.
Dazu die Überschrift: „Das geheime Leben des Bürgermeisterkandidaten.“
Wäre es nicht so fürchterlich früh gewesen, hätte Gracie jetzt mit dem Fuß aufgestampft und laut geschrien.
Und jetzt? Bei wem sollte sie sich beschweren? Sollte sie einen Leserbrief schreiben? Oder ein Banner über der Hauptstraße aufhängen? Oder sollte sie einfach diesen Yardley aufsuchen und ihm eine scheuern?
Sie betrachtete noch einmal das Bild und stöhnte. Sie war auch zu sehen! Im Hintergrund, aber dennoch deutlich erkennbar, mit schockiertem und durchaus verwirrtem Gesichtsausdruck.
Gracie zerknüllte die Zeitung und ging langsam zurück zum Haus. Das alles brauchte sie momentan wirklich nicht. Sie musste Torten machen und heute Mittag ihre Mutter treffen, um über eine Hochzeit zu reden, die vielleicht gar nicht stattfinden würde ...
„Ich brauche Urlaub“, murmelte sie vor sich hin. Dann ging sie rein und knallte die Tür hinter sich zu.
Gracie blieb kurz auf der Veranda ihrer Mutter stehen. Sie wollte überhaupt nicht hier sein. Nach dem, was vor ein paar Tagen passiert war, wollte sie dieses Haus am liebsten nicht mehr betreten.
Es war ihr selbst unerklärlich, wieso sie sich noch einmal darauf eingelassen hatte, zu diesem Hochzeitsvorbereitungstreffen zu gehen. Aber Alexis hatte sie angerufen und angefleht, und da war Gracie wieder schwach geworden.
„Wie dumm kann man nur sein?“, murmelte sie und zwang sich, zur Tür zu gehen und zu klopfen.
Sofort wurde geöffnet. Alexis lächelte sie an. „Schön, du bist da. Komm rein.“
Gracie folgte ihr ins Wohnzimmer, wo Vivian vor dem Fenster saß.
„Wo ist Mom?“, fragte Gracie.
„Sie kommt nicht.“ Alexis verschränkte die Arme vor der Brust. „Denn sie weiß nichts von diesem Treffen.“
Das hörte sich gar nicht gut an. „Könntest du das bitte erklären?“
Vivian stand auf und strich über ihr Blümchenkleid. „Du hast ihr beim letzten Mal sehr wehgetan. Sie wollte uns nicht sagen, worum es bei eurem Streit ging, aber sie ist immer noch ganz fertig. Das kannst du nicht bringen, Gracie. Es geht nicht immer nur um dich.“
„Das stimmt“, erwiderte Gracie ihr. Sie konnte es nicht glauben: Die beiden hatten sie eingeladen, um sie zurechtzuweisen! „Denn eigentlich geht es ja immer um dich.“
Vivian riss den Mund auf. „Das ist nicht wahr. Alexis, hast du das gehört? Sie soll sich bei mir entschuldigen!“
Gracie schüttelte den Kopf. „Ich bin weg.“
„Nein!“ Alexis hielt sie fest. „Warte, Gracie. Wir müssen uns unterhalten. Ich bitte dich. Wir machen uns Sorgen um dich.“
Das klingt ja toll, dachte Gracie grimmig. Aber in den vergangenen Wochen hatte sie genug über ihre Familie gelernt. Sie musste vorsichtig sein.
Gracie machte sich von Alexis los und ging hinüber zum Sofa und hockte sich hin. Es war nicht schwer zu erahnen, was gleich kommen würde. Vivian nahm ihr gegenüber Platz, und Alexis setzte sich auf das andere Ende des Sofas.
„Wir machen uns Sorgen – deinetwegen und wegen Riley“, wiederholte Alexis.
„Das war mir klar.“ Gracie wollte aufspringen und schreiend das Zimmer verlassen. „Ich wusste ganz genau, dass dieses Thema jetzt kommen würde.“ Wütend sah sie ihre Schwester an. „Das höre ich mir von mir aus noch von meiner Mutter an, weil sie nun mal so ist, wie sie ist, aber von euch beiden brauche ich das nicht. Wenn ich euch daran erinnern darf: Ich bin nur euretwegen überhaupt wieder hier und habe nur euretwegen mit ihm zu tun. Du warst es, Alexis, die mich dazu genötigt hat, mit dir um sein Haus zu schleichen und Fotos zu machen.“
„Du hast ja recht, ich habe da auch eine kleine Rolle gespielt“, gab Alexis eingeschnappt zurück.
„Eine kleine Rolle?“ Gracie kam sich vor wie in einem Paralleluniversum, in dem logisches Denken unbekannt war. Sie wandte sich Vivian zu. „Und willst du mir vielleicht auch
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