Gracie in Love
Diane ihm gleich weitergegeben hatte.
„Das Geschäft läuft gut“, stellte sie fest, als er den Ordner durchsah. „Sehr viele Kredite für private Immobilien.“
„Das sehe ich selbst“, entgegnete er ihr. Ihm war klar, dass sie ihn auf einen Punkt aufmerksam machen wollte, den er zu ignorieren versuchte.
„Diese Leute – unsere Kunden – erwarten, dass sie dreißig Jahre Zeit haben, ihre Schulden zu bezahlen. Was soll aus ihnen werden?“
Riley gab keine Antwort. Sie wussten beide, was passieren würde. Wenn er die Bank dichtmachte, würden die Kredite aufgelöst. Alle Kunden würden sich innerhalb von drei Monaten um eine neue Finanzierung kümmern müssen. Wenn es ihnen nicht gelang, würden sie unter Umständen sogar ihr Zuhause verlieren.
„Ich weiß, dass Sie Ihren Onkel für einen widerlichen Kotzbrocken halten, Riley. Aber warum wollen Sie andere Menschen dafür büßen lassen?“
Riley war schockiert. Er starrte seine Sekretärin entgeistert an. Wunderte er sich mehr darüber, dass sie ihn zum ersten Mal beim Vornamen genannt hatte, oder über ihre Direktheit.
„Sie begeben sich auf dünnes Eis“, antwortete er.
Lächelnd konterte Diane: „Haben Sie etwa vor, mich zu entlassen?“
„Nein.“
„Dann wüsste ich nicht, welcher Gefahr ich ausgesetzt sein sollte.“ Ihr Lächeln erstarb. „Sie könnten hier viel Gutes tun“, fuhr sie fort. „Sie haben die Herausforderung angenommen. Die Arbeit macht Ihnen Spaß. Hier geht es nicht einfach um Ihren Onkel. Hier geht es um eine ganze Stadt.“
„Wissen Sie was? Diese Stadt interessiert mich einen Scheißdreck!“
Eine sehr lange Zeit blickte sie ihn wortlos an. „Dann habe ich mit meiner Einschätzung falsch gelegen, dass mehr von Ihnen zu erwarten ist.“
Ohne ein Wort hinzuzufügen, verließ sie das Büro. Als er wieder allein war, drehte Riley sich in seinem Stuhl um, damit er das Porträt seines Onkels betrachten konnte.
„Tut mir leid, Alter“, sagte er. „Ich habe kein Interesse daran, für deine Stadt den großen Retter zu spielen. Du dachtest, diese Runde ginge an dich, weil ich alles dafür tun würde, an das Geld zu kommen. Aber die Dinge werden sich nicht so entwickeln, wie du dir das gewünscht hast. Ich werde gewinnen und bereue nur eins: dass du nicht mehr miterleben kannst, wie ich dich fertigmache.“
Gracie traf kurz vor drei beim Gemeindezentrum ein. Sie verband eine Menge Erinnerungen mit dem alten Gebäude. Hier hatten viele Schulveranstaltungen stattgefunden und auch die Treffen ihrer Pfadfindergruppe. Im ersten Stock gab es mehrere kleinere, klassenzimmerähnliche Räume und im Erdgeschoss eine große Aula. Ihr war klar, dass das Rededuell wahrscheinlich dort stattfinden würde, dennoch schlug sie nicht diese Richtung ein. Stattdessen ging sie um das Gebäude herum zum Hintereingang, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Dort traf sie auf Jill, die vor der Tür stand. Ihre Freundin winkte ihr zu.
„Ich habe uns zwei Plätze reserviert“, flüsterte Jill leise. „Beeil dich, es geht gleich los.“
Die Lichter über dem Publikum waren bereits abgedunkelt, nur die beiden Kandidaten auf der Bühne saßen im Licht. Langsam kehrte Ruhe in die flüsternde Menge ein.
Jill führte Gracie zu den beiden Stühlen, die sie ganz rechts an der Seite für sie frei gehalten hatte, in der drittletzten Reihe. Gracie ließ ihre Freundin zuerst hineinschlüpfen, sodass sie selbst außen sitzen und sofort hinausgehen konnte, falls es nötig sein sollte.
„Es sind ganz schön viele Leute da“, beruhigte Jill ihre Freundin, nachdem sie sich umgesehen hatte. „Ich schätze, keiner merkt überhaupt, dass du hier bist.“
„Wollen wir’s hoffen“, murmelte Gracie. „Mit so vielen Zuhörern hatte ich nicht gerechnet.“
„Ich auch nicht. Außerdem wird die Debatte live im Radio übertragen.“
Gracie rutschte tief in ihren Sitz und versuchte, niemanden anzusehen. „Dann wäre ich wohl besser zu Hause geblieben und hätte dort zugehört.“
Aber in Wahrheit hatte sie Riley sehen wollen. In seiner Nähe zu sein war für sie wie eine Lebensquelle. Natürlich war es dumm gewesen, mit ihm zu schlafen, aber sie ärgerte sich trotzdem nicht. In seinen Armen hatte sie allen Kummer vergessen. Und gestern Abend ... als er sie gehalten hatte ... Sie wünschte sich, er würde sie nie mehr loslassen.
Ihr Verstand schlug schon wieder Alarm, aber sie versuchte, es zu ignorieren. Sich auf Riley einzulassen war in vielerlei
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