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Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral

Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral

Titel: Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Berling
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wundern, wie der Kaiser mitten in christlichen Landen gestatten konnte, daß eine ganze Stadt voller Ungläubiger fünfmal am Tag gen Mekka betete.
    »… wa raita al-nas yadchulun fi din Allahi afwadschan, fasabih bihamdi dabbika wa astaghfirhu innahu kana t a waban.«

V
DAS OHR DES DIONYSOS

Die Fontäne
    Otranto, Frühjahr 1245
    Die erste Frühlingssonne stand vor dem Mittagsläuten zwar noch nicht ganz hoch am Himmel, aber ihre Strahlen brannten dennoch schon sengend heiß auf die Mauern der Burg von Otranto. Nur im Schatten der Innenhöfe und A r kaden war die Muße erträglich, denn auf dem flachen Sö l ler war zwar eine Brise vom Meer aufsteigend als Hauch zu spüren, aber sie brachte keine ausreichende Linderung gegen die über den farbigen Bodenkacheln flimmernde Hitze.
    Still lag auch der kleine Hafen am Fuß des äußeren Walls, den die Burg wie die Pranke eines wachsamen L ö wen bis an den Rand der Bucht schob. Die wenigen Boot s leute dösten in ihren Unterkünften; die Triëre des Admirals war noch nicht von ihrer Reise in die Terra Sancta zurüc k gekehrt.
    Grund genug für ihre Herrin Laurence, sich immer wi e der von ihrem Lager zu erheben, die langen dunklen Vo r hänge auf einen Spalt zu öffnen und über das sich schier endlos erstreckende Blau nach Süden zu spähen. Ohne i h ren Augapfel, ›ihr‹ Schiff, fühlte sie sich wie amputiert. Seine stets kampf- wie fluchtbereite Präsenz gab ihr das starke Gefühl der Unabhängigkeit. Das von Männern b e herrschte Land jederzeit gegen die Freiheit der Meere ta u schen zu können: Das war die wahre Fre i heit! Sie ließ sich zurückfallen auf den viel zu warmen Damast ihres verwai s ten Ehebettes und spürte ärgerlich die Schweißperlen, die überall, ihre Haut kitzelnd, hera b rannen – sie versuchte, an nichts zu denken.
    Die junge Clarion hatte sich die große Hängematte im tiefen Schatten der Arkaden aufhängen lassen, dort, wo durch die nahen Wasserbehälter die Verdunstung wenig s tens einen Hauch von Kühle entstehen ließ. Man konnte sich das zumindest einbilden, ebenso wie daß durch das sanfte Schwingen der Matte ein Luftzug entstand.
    »Ich vermutete Euch an Eurem Lieblingsplatz«, hatte Crean gemurmelt. Wozu mußte er sein Erscheinen en t schuldigen? »Bei der Fontäne ist es sicher heute am ehe s ten auszuhalten.«
    »Wenn Ihr dort gewesen wäret, Crean de Bourivan; dann hättet Ihr die Kinder gesehen.« Clarion räkelte sich, ihre animalische Körperlichkeit noch mehr zur Geltung bringend. »Sie kennen nichts Schöneres, als jeden naßzus p ritzen, der in ihre Nähe kommt.« Clarion rollte sich wie eine auf dem Rücken liegende Katze.
    »Die Glücklichen hocken nackt in der Brunnenschale und freuen sich ihres Lebens«, entschärfte Crean sanft i h ren Vorwurf. »Beneidenswerte Kindheit!«
    Er lag zu ihren Füßen rücklings auf der Erde und hielt sie durch seinen hochgereckten Zeh in leichter Schauke l bewegung. Er hatte sich geweigert, den Platz in der Matte mit ihr zu teilen, wohl wissend, daß nichts zwei Körper so zusammenschmiegt wie solch gemeinsame Nutzung. Man ist gefangen wie ein, nein, zwei Fische im Netz. Sie sehnte sich danach, und Crean wollte es nicht zulassen. Ihr war heiß, aber sie hätte liebend gern die noch größere Glut der Umarmung gespürt, in brennende Flammen würde sie sich dafür werfen, das Wasser aus ihren Poren könnte in Stur z bächen zwischen ihren Brüsten, über i h ren Bauch, an ihren Schenkeln herunterlaufen, es könnte doch nicht das Feuer löschen, das in ihr und dort eben ganz besonders brannte. Und genau dort, nur eine Handbreit entfernt, ragte der gr o ße Zeh des Mannes unter ihr durch das Gitterwerk, unbete i ligt, und schaukelte sie. Sie hatte sich schon ein paar Ze n timeter herangearbeitet, ha t te ihre Muskeln spielen lassen – es gelang ihr nicht, und würde sie ihn erreichen, berühren, umklammern, in sich aufsaugen, er würde traurig lächelnd den Fuß wechseln und anderswo wieder einhaken.
    Crean spürte ihr Verlangen und hätte es auch gestillt; er war kein Kostverächter – aber nicht hier, als Gefangener zwische n d iesen Mauern, über sich eine zum Bersten parate Clarion, einem jener dünnwandigen Tontöpfe gleich, g e füllt mit griechischem Feuer, das sich beim Aufschlag we i thin ergoß und nicht mit Wasser zu l ö schen war. Clarion von Salentin war weniger die natürliche Tochter des Ka i sers als – auf fast unnatürliche Art – Stiefkind, Sklavin, Schmuckstück,

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