Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral
Komplizin und Gese l lin der Gräfin, eines Drachen, der seinen Schatz bewac h te. Ein Wunder, daß die einsame Prinzessin nicht in einen festen Turm gesperrt war, zu dem nur die alte Zauberin die Schlüssel verwahrte. Sein Blick schweifte hinauf zu dem hohen Donjon, der inmitten der Burganlage steil und unnahbar über Dächer, Söller und Mauern emporragte. Ein Wunder, daß sie Clarion nicht dort hineingesperrt hatte!
Aber es war nicht nur die eifersüchtige Gräfin, die ihn davon abhielt, Clarions schon schamlosem Drängen nac h zugeben, es war auch die Anwesenheit seines Kan z lers, die ihn an sein Gelübde gemahnte. Er hätte es nicht abzulegen brauchen; er konnte es sogar jederzeit widerr u fen, doch dann wäre er gleichsam wie ein Stein, wie ein fauler Apfel um mehrere Initiationsstufen nach unten gefallen, geistige Ränge, um die er mühsam gerungen hatte, geistige Fre i räume, zu denen er sich aufgeschwu n gen hatte, in denen er sich losgelöst fühlte und aufgeh o ben zugleich. Das sollte er hingeben, für ein paar Auge n blicke fleischlicher Lust, Sin-nenbetörung? Das war es nicht wert, das war keine Frau wert!
Natürlich hätte er seinem Körper diese kurze Befried i gung heimlich verschaffen können, hätte sich, seine Ob e ren – und mit Vergnügen! – auch die Gräfin betrügen können. Aber Clarion wäre mit einem solchen Knall e x plodiert, sie hätte wahrscheinlich geschrien vor Wollust, sie hinausg e schrien als befreienden Triumph, daß alle es hörten, die gesamte Burg wäre zusammengelaufen. Und dann wäre sie zusammengebrochen, wenn sie, wieder bei Sinnen, erkannt hätte, daß es für ihn nur ein Schlen-ker war, ein kurzes Abweichen von einem vorgezeichneten Weg, ein hastiger Schluck kalten Wassers, weil er gerade Durst hatte und der Quell sich anbot. Er hatte gelernt, seinen Körper zu beher r schen, und sie wollte den ihren er s tmals erfahren. Crean hatte Mitleid mit ihr.
Clarion war bereit zu leiden, aber vorher wollte sie den Mann. Bedingungslos, hemmungslos, und jetzt! Der Kerl sollte keine Rücksicht nehmen, verdammt! Weder auf ihre ominöse Herkunft noch auf ihre Bindung zu Laure n ce und am allerwenigsten auf sie selbst. Sie war stärker als viele Männer, wahrscheinlich viel stärker als Crean; sie würde alle überleben! Clarion überlegte, ob sie ihm von der Matte aus ins Gesicht spucken sollte, dem Fei g ling, oder ob sie sich herausrollen, sich auf ihn stürzen und ihn vergewalt i gen sollte – »Clarion!« Die etwas schrille Stimme der Gr ä fin schreckte beide auf. »Clarion? Wir haben Gäste!« Das klang mehr wie eine Ausrede, aber es war beiden klar, daß ihr trautes Beisammensein damit sein Ende gefunden hatte.
Crean sprang als erster auf, er beugte sich über die noch in der Wölbung Gefangene und küßte sie auf den Mund. Clarion griff seinen Kopf mit beiden Händen, als wollte sie jetzt noch, in letzter Sekunde, seinen ganzen Körper auf sich ziehen, doch Crean widerstand. Dafür währte der Kuß länger als vorgesehen, zumal ihre Zunge in ihn stieß, als wolle sie ihm zeigen, was sie eigentlich von einem erfahr e nen Mann erwartete. Bevor sie sich vollends festsaugen, seine Lippen mit Bissen und sein Gesicht mit ihren spitzen Nägeln zeichnen konnte, besitzergreifende Präliminarien, die er also zu Recht gefürchtet hatte, gelang es Crean – u n ter Hinterlassung eines Haarbüschels – seinen Kopf zu re t ten und sich aufzurichten.
»Ich brauch ’ einen Schluck kaltes Wasser«, sagte er rasch unverfänglich und bereits in sicherer Distanz zur Hängematte, als Lau-rence wie eine Furie um die Ecke bog. »Heiß heute«, begrüßte er ermattet die Gräfin, die ihn ignorierte, dafür Clarion anfunkelte.
»Ich nehme an, Elia ist eingetroffen?« warf er noch als Frage hin, benutzte sie aber nur, um sich schleunigst zu entfernen.
»Hure!« hörte er noch, Clarions Lachen, das Klatschen eines Schlages in ihr Gesicht; die Tränen beider sah er nicht mehr …
Dafür traf Crean im Weggehen auf Hamo, der ihn fein d selig anstarrte; wahrscheinlich hatte er sie belauscht. Da r in ähnelten sich die Gräfin und ihr Sohn, beide umlaue r ten Clarion wie Schakale die Gazelle in der Wüste. Wie sie sich wohl verhielten, wenn keine Gäste auf der Burg wa r en?
Er kam nicht dazu, es sich auszudenken, denn ein Schwall kalten Wassers traf ihn voll ins Gesicht. Aus dem Brunnen tauchte Yeza auf und quietschte vergnügt: »Die erste Erfrischung ist umsonst!« Und hinter ihr
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