Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral
meine Füße vom Boden und ka u erte mich auf das Lager, gebannt von oben den Teppich anstarrend, der jetzt auch noch eine Falte warf.
Der Teufel hatte mich eingeholt! Ich schlug das Kreuz und schloß die Augen. Es knarzte unter mir. Ich zog die Bettdecke über den Kopf und lag vor Angst steif; Schweiß brach aus allen meinen Poren, mich fror trotz der glühe n den Hitze. Ich schaute vorsichtig unter der Decke hervor: Der Teppich war verschwu nd en! Dafür erhielt ich einen Stoß von unten, unter die Matratze. Mein letztes Stündlein war gekommen! Elia hatte mich hierhergeschleppt, um mich nun in diesem Kastell der Gräfin durch eine raffinierte Vorric h tung ungesehen für immer verschwinden zu la s sen! Heiliger Franziskus, steh mir bei in der Stunde des Todes!
Die Teufel zogen mir die Bettdecke weg, von der and e ren Seite. Sie waren überall, sie weideten sich an meiner Todesqual. Ich wagte nicht, mich umzudrehen, die Decke glitt von mir weg.
»Das ist er!« sagte eine Kinderstimme. Der Böse e r scheint in jedwelcher Form, die ein braver Christ nicht e r wartet.
»William?« flüsterte ein kleines Mädchen und stieß von hinten spitz an meinen Kopf. Ich war also schon in der Hölle. Jetzt kamen die zwackenden Torturen, das Stechen mit glühenden Nadeln, das Ausreißen jedes einzelnen Ha a res, dann das Häuten, das Blenden, das Herausreißen der Zunge, Abschneiden der Nase. Etwas kitzelte mich bereits in deren Löchern, gegen meinen Willen sah ich auf:
Vor mir kniete Yeza an meinem Bett und schwenkte e i nen Grashalm über mein Gesicht. Sie lachte mich glüc k lich an: »Es ist William! Du kannst kommen!«
Unter der Bettkante erschien das Gesicht von meinem kleinen Roç, der sich auf dem Rücken liegend vorschob. »Hilf mir, den Deckel zu halten, er fällt mir sonst auf die Beine!«
Ich sprang auf, schob das Bett beiseite und hielt die B o denklappe, bis er seine Füße draußen hatte. Dann schloß ich sie vorsichtig. Yeza breitete sofort wieder den Te p pich über den Auslaß.
Die beiden Kinder setzten sich auf den Teppich und starrten mich an.
»Du bist unser Gefangener«, sagte Roç. »Du kommst nicht durch das Loch, du bist zu dick!«
»Aber wir können ihn befreien«, wendete sich Yeza an den Jungen. Ein Jahr war vergangen, aus meinen verwir r ten Schut zb efohlenen waren kleine, selbstbewußte Persö n lichkeiten geworden.
»Wie?« fragte ich.
»Erst mußt du uns versprechen, daß du uns mitnimmst!«
»Warum ist meine Mutter nicht mit dir gekommen?« Yeza beklagte sich nicht, aber ich empfand es als Ankl a ge, zumal ich ihr nicht die Wahrheit sagen konnte, die ich vermutete. Ich wußte ja nicht einmal, wer ihre Mutter war, obgleich ich annahm, daß sie zu denen gehörte, die auf dem Champ des Cremats in die Flammen gegangen waren.
»Eure Mutter ist – Eure Mutter kann jetzt nicht ko m men, sie hat keine Zeit«, log ich.
»Das kenn ich schon«, sagte Roç enttäuscht, »das sagte mir ihre Mutter« – er wies mit dem Kinn auf Yeza –, »auch jedesmal!«
»Habt Ihr denn nicht die gleiche Mutter?« Irgendwie hatte ich sie trotz allem immer für Geschwister gehalten und wollte die Gelegenheit nutzen, jetzt Näheres zu erfa h ren.
»Das wissen wir nicht so genau«, antwortete Yeza b e dächtig. »Er kann meine mithaben!« fügte sie großzügig hinzu.
»Alle wollten meine Mutter sein«, versuchte sich Roç zurück-zuentsinnen, »deswegen glaub ’ ich, ich habe gar keine Mutter!«
»Und euer Vater?« fragte ich dumm.
»Gibt ’ s nich!« beschied mich Yeza fest.
»Unsere Mutter brauchte keinen!« Roç hatte sich nun doch entschieden.
»Es war ja Kriegs!« klärte mich Yeza auf, und Roç b e gann sofort, mir lebhaft zu schildern, was er von der Bel a gerung des Montségur in Erinnerung hatte. »Sie haben auf uns geschossen, mit ganz riesigen Brocken!«
»Mit Steinen«, ergänzte Yeza. »Sie kamen durch die Luft geflogen oder fielen vom Himmel!«
»Ach«, sagte Roç nachsichtig, »das waren Katapulte. Wir hatten auch welche!«
»Es war gefährlich wie Ertrinken!« Darauf beharrte Y e za. »Man mußte aufpassen, daß sie einen nicht an den Kopf trafen wie den –« Ihr fiel der Name nicht ein.
»Und dann?« fragte ich neugierig weiter. »Hat euch denn keiner beschützt? Deine – eure – Mutter?«
»Die hatte keine Zeit – weil sie sich ›bereit‹ machte –«
»Wofür?« bohrte ich.
»Ich weiß nicht, dann sind wir eingeschlafen, und als wir wieder aufwachten, waren wir schon
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