Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral
Türme betont werden. Ledi g lich zwei Stockwerke hoch, ist die Anlage von vornehmer Zurückhaltung, um einen Innenhof gruppiert, dessen U n tergrund als gewaltige Zisterne dient. Doch es waren nicht die architektonischen Feinheiten, die We n deltreppen, die Ausgewogenheit der Räume – noch bar jeden Schmucks und so Beispiel einer reinen Ästhetik von Maß und Zahl; wer würde sie je wieder so sehen? –, die mich andächtig werden und gleichzeitig mein Herz hüpfen ließen; es war das hochadelige Gemüt, das aus der gesa m ten Anlage sprach, da wir sie zuvor aus der Ferne erblic k ten.
Noch in der Dämmerung stiegen wir mit besorgter E r laubnis des Baumeisters über die Leitern auf die Krone eines der acht gleichhohen Türme. Wir waren nur zu dritt – ich, Hamo und der alte Guiscard. Unsere Augen suc h ten die hügelige Landschaft ab. Da stand er wieder. Unter den Bäumen, die das Ufer des Sees säumten, glaubte er, sich vor unseren Blicken versteckt zu halten.
»Wir sind viel zu weit vom Weg abgekommen«, maulte Hamo, »nur um unseren päpstlichen Schutzengel zu veru n sichern!«
»Das ist schon mal der erste Schritt zum Erfolg«, b e merkte der Alte trocken. »Wenn Ihr mir ein oder zwei Glas Wein spendieren wollt, junger Herr, will ich Euch meinen Plan unterbreiten.«
Wir kletterten in der schnell einfallenden Dunkelheit h i nab in den Burghof, wo sich Wachsoldaten des Staufers, Elias Reiter, unsere Truppe aus Otranto, Maurer, Zimme r leute und Steinmetzen um ihre Lagerfeuer niederg e lassen hatten, während Fischer und Bauern der Umg e bung ihre Waren anboten und die Becher kreisten. Nac h dem sich das anfängliche Mißtrauen des Kommandanten, welches auf der ziemlich krummen Linie zwischen Herkunftsort und angeblichem Ziel beruhte, schließlich gelegt hatte, durften wir über Nacht in den Mauern verble i ben; ja, er wies Hamo sogar einen überdachten Raum zu, in den wir uns zurüc k zogen. Sein freundliches Angebot, einige seiner Leute au s zuschicken und unseren Verfolger einzufangen, lehnte Hamo verwirrt ab, und weil er eine Erklärung schuldig blieb, sprang ich ein und bat, um der Liebe Christi willen den Päpstlichen nicht zur Gaudi der staufe r ischen Mannen sogleich am Turm au f zuknüpfen – was der Kommandant sehr bedauerte. Er ließ uns einen Krug We i nes bringen und entfernte sich.
»Ihr habt gut daran getan«, beglückwünschte Guiscard unseren jungen Grafen, »nicht die Zunge zu verderben, die noch in Rom von uns zeugen soll, Ihr habt das Zeug zu einem großen Feldherrn!«
Hamo lächelte beschämt, und ich goß noch etwas Öl nach: »Nehmt, lieber Herr, den Rat eines abgewichsten Soldaten an, macht ihn Euch zu eigen; denn daß er noch lebt, zeigt, daß er wohl weiß, wann den Kopf hinhalten, wann ihn nützen, wann ihn einziehen.«
»Locker sind die Zeiten«, pflichtete mir Guiscard z u frieden bei, »und locker sitzen Dolche und Beutel!«
»Es soll Euer Schaden nicht sein«, antwortete Hamo b e gierig. »Laßt hören!«
»Morgen früh schickt Ihr unsere Leute aus Otranto gen Luce-ra, damit sie dort eine Kompanie Sarazenen gen Rieti in Marsch setzen –«
»Und wir bleiben schutzlos?!« unterbrach ihn sogleich Hamo.
»Uns bleiben ja die Soldaten des Elia!« Der alte Haud e gen ließ sich nicht aus dem Konzept bringen, auf welches auch ich neugierig war. »Und morgen ist hier Wachwec h sel, und ein ausreichend bewaffneter stauferischer Trupp zieht gen Benevent –«
»Ah, Ihr wollt ans Meer?« Hamo war der Plan nicht ganz geheuer, doch das Abenteuer begann ihn zu reizen.
»Laßt Euch Zeit, junger Herr, viel Zeit – sputen muß nur ich mich, denn ich werde Euch vorauseilen und alles vo r bereiten!«
»Ihr werdet uns fehlen, Guiscard«, sagte ich und meinte es auch so, denn allein mit Hamo, dem jungen Hund, wußte ich nicht, was diesem – allein aus Unsicherheit, mehr als aus Draufgängertum – dann alles einfallen wü r de.
»Folgt nur dem Plan«, beschwichtigte mich der Amalf i taner und wandte sich wieder Hamo zu: »Vorher laßt Ihr die Soldaten Eurer Mutter ausschwärmen. Unser unbekan n ter dunkler Freund muß sich angegriffen, gejagt fü h len. Greifen werden sie ihn eh nicht, aber sie werden den ei n samen Wolf reizen. Mir reicht es – von ihm unges e hen – in Richtung Küste zu entkommen. Denn nach ein i ger Zeit – oder sogar sehr bald – wird unser Schatten verärgert die Finte spüren, wird sich von seinen Verfo l gern lösen und sich Euch wieder beigesellen
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