Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral
Katastrophe einrichten …«
»Eine Lawine!« verteidigte sich Hamo. »Höhere G e walt!«
»Meist höchster Leichtsinn!« erwiderte Crean trocken. »Waren alle tot?«
»Wie soll ich das wissen!« begehrte der Gefragte auf. »Ich wurde als einziger nicht verschüttet und habe mich –«
»- davongemacht, statt dich um die anderen zu kümmern und dich insbesondere zu vergewissern, daß vor allem der Mönch nicht überlebt hat?«
»Ich hätte ihn wohl noch töten sollen, falls er noch atm e te!« Hamo verbarg seine Wut nicht, zumal er sah, daß N i cola seinem Inquisitor maliziöses Einverständnis signal i sierte, daß er, Hamo, wohl überfordert gewesen sei, ein Versager also!
»So lautete der Befehl!« meinte Crean bündig. »Wir können also davon ausgehen, daß William von Roebruk spurlos verschwunden ist?«
»Aber nicht, ohne eine Spur zu hinterlassen«, schaltete sich Nicola ein. »Er könnte genausogut seine Reise fortg e setzt und sein Ziel erreicht haben. Wir brauchen das nur zu behaupten. So lange kein Zeuge für das Gegenteil aufsteht, ist diese Version wahrscheinlicher als ein finaler Abgang mittels eines verrutschten Schneehaufens.«
»Prächtig. ’ Áñ ϰ ἠ ἤ ìéó õ ðáíôüò «, sagte Crean, ohne seine Miene zu verziehen. »Doch nun hat wohl inzwischen Pian del Carpi-ne samt Begleiter den Hof des Großkhans erreicht und wird sich nach Genuß mongolischer Gas t freundschaft irgendwann wieder auf den Heimweg m a chen. Und von William samt den Kindern keine Spur?«
»Er könnte zum Beispiel dort erst später eintreffen, oder?« Dem Bischof kamen jetzt auch Zweifel an seinem Konzept. »Allerdings reist man nicht incognito durch das Reich der Goldenen Horde; diese Tataren sind da leider sehr formell –«
»Und werden sich auch nicht dafür hergeben, eine so l che Lügengeschichte in die Welt zu setzen, es sei denn, man weiht si e i n alles ein – und das halte ich für äußerst g e fährlich!« schloß Crean.
»Ich könnte doch als Zeuge für die Wahrheit auftreten!« meldete sich jetzt plötzlich wieder Hamo zu Wort, doch er sah sofort, daß die anderen beiden seine Vorschläge nicht recht ernst nahmen. Sie lächelten nur über ihn.
»Junge«, sagte Nicola della Porta väterlich, »du bist Pa r tei und daher schon unglaubwürdig, ja verdächtig! Deine Person würde die Spekulationen genau wieder dahin le n ken, von wo wir sie mit viel Mühe abziehen wollten, nach Otranto!«
»Ich stelle mich hier dem Vertreter des Papstes und schwöre –«
Jetzt mußte della Porta schallend lachen. »Der bin ich – und ich kann dir versichern, daß du im Verhör eines Inqu i sitionstribunals, selbst ohne Anwendung der gerin g sten Folter, alles ausspucken würdest, was man dir in den Mund legt. Du würdest deine leibliche Mutter verraten und die Kinder noch als Drein-gabe. Vergiß das! Das fehlte gerade noch, daß du in die Hände Roms fällst!«
»Es müßte eine über jeden Verdacht erhabene Persö n lichkeit sein, die glaubhaft über Williams Ende im fernen Land der Mongolen berichtet, in einer Weise, daß sich jede weitere Nachforschung nach dem Verbleib der k ö niglichen Kinder erübrigt …« Crean wußte auch nicht weiter.
»Kann man diesen Pian denn nicht bestechen oder son s twie korrumpieren?« schlug der Bischof vor. »Jeder Mensch hat seinen Preis.«
»Erst einmal müßte man sich seiner Person versichern, bevor er wieder in menschliche Gegenden eintritt, bevor er mit irgend jemandem Kontakt aufnehmen kann – und dann ist er ja nicht allein, eine ganze Delegation begleitet ihn –«
»Es ist nur einer, Benedikt von Polen – und der überlebt die mongolische Küche nicht. Spätfolgen!« schlug Nicola della Porta mit feinem Zynismus vor.
Crean teilte das Lächeln des Bischofs nicht. »Irgendein treuer Sohn der Kirche«, beendete er sarkastisch die Erört e rung der Lage, »wird auf jeden Fall als ›Blutzeuge‹ der fida ’ i, dem Gesetz, zum Opfer gebracht werden mü s sen, Exzellenz!« Und er wandte sich jetzt leutselig an Hamo, der mit aufgerissenen Augen und Ohren diese erste Lektion politischer Intrigen in sich aufgesogen ha t te. »Ich bin froh, dich gesund wiederzusehen, gibt es doch Gerüchte, du würdest verwahrlost, als Bettler, durch die griechische I n selwelt streifen, üblen Umgang pflegen und seiest orient a lischen Drogen verfallen …? «
Bei der letzten Bemerkung Creans hatte der Bischof dem Jungen schnell komplizenhaft zugezwinkert, bevor er dem
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