Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral
waren. »Endlich sehe ich dich von Angesicht zu Angesicht«, lachte er ohne Arg, »den meistgesuchten Franziskaner des Orients und Okzidents!« Er wandte sich augenzwinkernd an die D a men. »Dabei haben wir etliche gemeinsame Feinde – aber auch allerliebste Freundinnen, hervorragende Vertreteri n nen des schönen Geschlechts!« Ich versuchte krampfhaft seine Elogen nicht entgleisen zu lassen. »Gersende, die Gute«, sprudelte er fort, »und dann Ing o linde –«
»Kinder«, fuhr die Gräfin dazwischen, »marsch ins Bett!« Sie gehorchten, nur daß Yeza noch schnell: »Und mich!« dazwischen krähte. »Mich habt Ihr vergessen, ich bin auch eine gute Hur!« Clarion sorgte dafür, daß sich die Tür schnellstens hinter der Göre schloß.
»Eure Weibergeschichten könnt Ihr vielleicht ein a n dermal austauschen!« zischte Laurence. »Von William sind wir ja Geschmacklosigkeiten gewohnt, aber Ihr, Lorenz, Ihr solltet Euch schämen! In Eurem Alter – und als leg a tus Papae!«
Zu meinem Vergnügen gab sich mein Bruder weder ve r schämt noch kleinlaut. »Daß Eros mir noch Gesellschaft leistet, ehrt mich, um so mehr, als mein Gelübde – gleich einem Engel mit dem Flammenschwert – ihn von mir fer n halten möchte. Ihr Widerstreit erhält mich jung!«
Laurence war brüsk ans Fenster getreten; die Anspielu n gen auf das Alter hatte sie selbst ins Spiel gebracht – das ärgerte sie am meisten. Unbeherrscht fuhr sie den Kap i tän an: »Und in wessen Liebeslohn steht Ihr?«
Ehe der Pisaner, gekränkt in seiner Ehre, aufgebracht antworten konnte, warf sich Guiscard dazwischen, der bi s lang – wie Cl ar ion – schweigend im Hintergrund das Schauspiel eher peinlich berührt hatte über sich ergehen lassen. Er kannte seine Herrin.
»Der Mann erhält seinen Lohn für die Passage des Wi l liam von Roebruck von Pisa bis Otranto – Tarif für Schnellsegler in besonderer Mission!«
Die Gräfin schluckte. »Der Konnetabel soll ihm zahlen, was er verlangt«, bestimmte sie, »und für die Rückreise gleich dazu. Er wird sowohl den Herrn Legaten wie auch William nach Pisa mitnehmen. Von da aus sollen sie s e hen, wie sie sich zum Papst – oder zum Teufel – sch e ren!«
»Ihr seid zu gütig, Gräfin, aber für beide Varianten ist der Kämmerer der Kurie zuständig, das kann sie sich lei s ten!« Während Lorenz von Orta grinsend über beide B a cken in seiner Tasche nestelte, hatte sich der Pisaner, von Guiscard geleitet, schon mit einer knappen Verbe u gung verabschiedet.
Lorenz zog drei verknotete Lederschnüre hervor, er hielt sie Laurence unter die Nase.
»Euer treuer Freund, der Kanzler Tarik, bat mich sie in Luce-ra abzugeben. Dazu komme ich nun nicht mehr. Auch sagt mir mein Gefühl, daß sie nichts Gutes verhe i ßen: Eine ist wohl auf unseren Freund William gemünzt, den Crean de Bourivan gerade vergeblich im hohen No r den sucht – die zweite betrifft Euch, Gräfin – oder die Kinder? Nur bei der dritten bin ich mir nicht sicher –«
Laurence war bleich geworden, als sie die Schnüre sah, doch sie faßte sich schnell.
»Wißt Ihr denn nicht, Lorenz von Orta, daß eine Schnur immer dem Überbringer selbst vorbehalten ist. Das ist A s sassinen-regel – meist tödlich!« Sie weidete sich an dem Schreck meines Bruders, dessen zierlicher Locke n kranz leicht zitterte. »Doch da Ihr Euer Leben bis in die alten T a ge hinein genossen habt, mag Euch der Eintritt ins Paradies ja nicht so schwer ankommen« – sie reichte ihre faltige Hand dem Legaten zum Kuß –, »fall s d er Engel mit dem Flammenschwert Euch nicht den Zugang verwehrt!«
Lorenz steckte die Schnüre unschlüssig wieder ein und verließ nachdenklich den Raum. Mich konnte nichts mehr erschüttern.
Warum sollte ich nicht mit diesem Lorenz zurückreisen, mich meinem König wieder andienen und die ganze G e schichte vergessen – wie einen Ausrutscher! Mein franzi s kanischer Mitbruder, gar im Rang eines Legaten, wü r de mir die Beichte für diese drei Jahre ›in Sünde‹ abne h men, ich ein halbes Jahr – na ja, drei Monate – zur Buße ins Kloster gehen, und danach könnte ich meine Studien zu Paris wiederaufnehmen …
»Was stehst du Unglücksrabe da noch rum?« riß mich die scharfe Stimme der Gräfin aus meinen Gedanken.
»Vitus von Viterbo, der Häscher der Kurie, weiß, daß die Kinder hier sind!« verteidigte ich meine ungewünschte Anwesenheit.
»Er brauchte sich ja nur an deine Elefantenferse zu he f ten!« höhnte Laurence
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