Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral
schnüffle nicht in fre m der Leute Briefschaft!«
»Ist William nicht Euer Bruder, Bruder des gleichen O r dens?« hielt ihm Crean vor.
»Benedikt war und ist mein Bruder«, stellte Pian klar, »und ich will den Brief haben!«
Alsgleich änderte Crean sein Verhalten und zeigte Pian, wie er sich eine gute Zusammenarbeit vorstellen konnte: »Ich werde mir den Brief des Großkhans, so sich einer fi n det, von der Polizei aushändigen lassen. In Konstant i nopel ist mit klingender Münze alles zu erreichen.«
»Auf eine gute Löhnung soll es mir nicht ankommen – ich bin sogar bereit, diesen William-Benedikt aus dem G e fängnis freizukaufen, wenn nur der Brief des Gro ß khans wieder …«
Sie hatten die Residenz des Bischofs erreicht. Sie lag d i rekt an der Stadtmauer, die ihre Gärten begrenzte, aber auch hermetisch abriegelte. Ein Gast war auch Gefang e ner, ohne es ärgerlich zu spüren.
Pian wurde in einem sonnendurchfluteten Seitenflügel untergebracht, man ließ es ihm an nichts fehlen. Was er nicht ahnte, war, daß sein so übel beschuldigter Wegg e fährte im gleichen Hause im dunklen Keller einquartiert war – nur daß Benedikt die Gewölbe für den Staatskerker hielt und sich auf das Schlimmste gefaßt machte.
Sein Verstand funktionierte klar, nur sein Körper war immer noch wie gelähmt. Er hörte die Schlüssel im Loch rasseln, und umgeben von den düster dreinblickenden Templern trat der Inquisitor samt seinem infamen Gehi l fen in den Raum. Sie hielten Fackeln und leuchteten ihm ins Gesicht, daß er meinte, sie wollten ihm das Augenlicht verbrennen.
»Nun, Bruder William«, eröffnete Crean väterlich das Verhör, »was habt Ihr vorzubringen?«
Benedikt druckste herum; Lippen und Zunge versagten ihm immer noch den Dienst, nur seiner Gurgel entrang sich ein Zischen und ein Keuchen. Dabei wollte er sich ve r ständlich machen, sich erklären, daß er weder der sei, für den sie ihn hielten, noch diesen Brief geschrieben habe, doch er brachte nur unartikulierte Laute zustande.
»Wie können wir dir nur helfen, Bruder«, dauerte Crean besorgt, »deine Spache wiederzufinden? – Yarzinth, zeig ihm die Instrumente!« fügte er sanft hinzu, als sei er der Doktor Lobe-sam, der einen Kranken hilfreich zur Ader lassen müßt ’ . Und nichts fürchtete Benedikt so sehr, wie von diesem Gehilfen umsorgt zu werden. Mit äußerster Kraftanstrengung würgte es aus seiner Kehle:
»Ich, ich schäme mich!«
Der Inquisitor war erfreut. »Ob deiner Schandbarkeit, William?«
»Weil, weil ich nicht sch-sch-sch – nicht sch-sch-sch-sch –« Er brachte es nicht heraus. Ein Erstickungsanfall set z te seinem quälenden Bemühen ein Ende, dem Yarzinth nicht mehr nachhelfen mußte. Benedikt war erschöpft in Ohnmacht gesunken.
Sie löschten die Fackeln und zogen sich zurück. Kaum war die Eichentür hinter ihnen ins Schloß gefallen, hie l ten die Templer nicht länger an sich: Sie lachten scha l lend.
Im Kreuzgang des ehemaligen Klosters griechischer Mönche stießen sie auf Gavin und den Bischof. Nicola de l la Porta hatte auch seine Gäste vom Tempel hier unterge b racht.
»Yarzinth muß ihm erst ein Gegengift verabreichen«, i n formierte Crean ihn über den Zustand des Gefangenen.
»Am besten versetzt mit deinen Blitz-und-Donner-Pilzen aus Indien«, setzte der Bischof hinzu, »damit er sich schließlich selbst für William von Roebruk hält!« Was wieder stürmische Heiterkeit auslöste, doch der Präzeptor unterbrach diesen kurzen Moment der Entspannung:
»Euer Problem, Crean de Bourivan, ist weniger der arme Tropf im Keller, sondern der äußerst aufgebrachte Pian«, wandte er ein, »mit dem Ihr nicht so umspringen könnt und auf den allein es ankommt! Wie wollt Ihr den Leg a ten dazu bringen, Euer Spiel mitzuspielen!«
»Mit Honigbrot und Schraubstock, mit glühenden Eisen, wenns sein muß!« lächelte der Bischof maliziös. »Noch kennt Pian ja den Inhalt des Geständnisses nicht; er wird nur begriffen haben, daß es an den Capoccio gerichtet ist – und den Grauen Kardinal fürchtet jeder, auch ein päpstl i cher Legat und mag er noch so ein reines Gewissen h a ben!«
»Und wo ist der Honig?« hakte Gavin voller Sarkasmus nach.
»Der fürsorgliche Bischof, dem nichts als das Wohl se i nes hohen Gastes am Herzen liegt, hat seinen Einfluß spi e len lasse n u nd das so schmerzlich vermißte Schreiben des Großkhans bei der Polizei sichergestellt. Seiner Übergabe an den rechtmäßigen Überbringer
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