Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral
die Naht auf, wühlte im Futter – und hielt triumphierend das Dokument hoch.
»Das ist der Brief des Großkhans an seine Heiligkeit I n nozenz IV!« Jetzt erst machte Benedikt das Maul auf.
»Wagt nicht, das Siegel zu erbrechen!« heulte Pian auf, und zum Inquisitor gewandt: »Herr, steht uns bei!«
»›An seine Exzellenz, den Kardinaldiakon Rainierus Caputius, oberster Schutzherr von uns armen Brüdern zu treuen Hän-den‹«, las der Offizier ungerührt die Adresse vor, ›»das verzweifelte Geständnis des unwürdigen Br u ders William von Roebruk, Ordinis Fratrum Minorum. ‹ «
Inzwischen war Crean zur Gruppe aufgerückt. »Dann seid Ihr wahrhaftig«, wandte er sich, immer noch A b stand haltend, an Pian, »Johannes Piano del Carpinis«, und auf Benedikt deutend, »denn in seiner Begleitung, so wissen wir gar wohl, reiste Bruder William!«
Jetzt riß Pian der letzte Geduldsfaden. »Wo ist der Brief?!« schrie er mit überschnappender Stimme Ben e dikt an, und zum Inquisitor gewandt: »Der Mann heißt nicht William!«
»Verhaftet ihn!« befahl Crean trocken, und mehrere P o lizisten stürzten sich auf Benedikt. Doch flinker noch war Yarzinth, der dem Polen eine kleine Kapsel zwischen die Zähne schob, als dieser endlich seinen Mund zum Protest auf- und zuklappte; dann riß er ihm den Kiefer auseina n der. Benedikt spuckte die Splitter aus, aber er konnte nur noch lallen.
»Der Kerl wollte sich vergiften!« beschuldigte ihn vo r wurfsvoll Yarzinth.
»… sich der irdischen Gerechtigkeit entziehen«, ergän z te der Offizier erregt den Vorgang, »als er sah, daß sein doppeltes Spiel entdeckt war.«
»Nehmt ihn in Gewahrsam«, ordnete Crean an, »aber tragt Sorge, daß der ertappte Sünder nicht ein weiteres Mal Hand an sich legen kann – schafft ihn fort!«
Die Polizisten banden den sprachlosen Benedikt auf ein freies Pferd. Er versuchte noch zu gestikulieren, bis ihm auch die Arme schlaff herabsanken; Schaum trat ihm vor den Mund. Yarzinth sorgte dafür, daß die Maultiertreiber die Kisten und Truhen bezeichneten, die dem Beschuldi g ten gehörten. Sie wurden eiligst umgeladen.
»Seine Habe ist beschlagnahmt!« Der Offizier salutierte vor Crean und händigte ihm das Schreiben aus, und sie preschten mit ihrem Opfer von dannen.
»Erlaubt, daß ich Euch begleite, zum Schutze fürderhin und auch zur Wiedergutmachung erlittener Unbill! Nicht weit von hier liegt die Sommerresidenz des Lateinischen Bischofs von Konstantinopel«, wandte sich Crean beruh i gend Pian zu, der, immer noch irre an der Welt und vor allem an Benedikt, alles über sich ergehen ließ. »Dort seid Ihr ein willkommener Gast und sollt Euch erholen von di e sem unwürdigen Empfang und von diesem widersprüchl i chen, fragwürdigen, ziemlich verdächtigen Benehmen E u res Begleiters William von Roebruk«
»Das ist Benedikt von Polen!« platzte Pian heraus. »Er war es immer, seit der Heilige Vater uns ernannte, er war es in Polen und die ganze weite Reise lang – ich kenne di e sen William nicht! Nie von ihm gehört!«
Der Zug hatte sich in Bewegung gesetzt. »Alles wird sich klären« tröstete Crean den verwirrten Legaten. »Ruht Euch aus und –«
»Der Brief« jammerte Pian und raufte sich seinen Bart. »Der Brief an den Herrn Papst! Einziger Sinn meiner Mi s sion, wenn auch wahrlich kein glorreiches Resultat. Ohne die Botschaft des Großkhans kann ich dem Heiligen Vater nicht unter die Augen treten!«
»Auch das wird sich finden!«
»Was soll ich nur von diesem Polen halten -?«
»Wenn es denn einer ist«, nährte Crean den aufsteige n den Argwohn. »Bruder William ist meines Wissens Fl a me –«
»Und was soll besagtes Schreiben, das sie bei – bei me i nem Begleiter fanden -?« Pian war genügend veruns i chert. Crean hielt ihm das Schriftstück hin.
»Erbrecht das Siegel selbst!« forderte er ihn auf. Pian zögerte.
»Ihr müßt es jetzt nicht lesen«, beruhigte ihn Crean. »Doch lege ich Wert darauf, daß Ihr es identifizieren könnt.«
»Es geht mich nichts an!« versuchte sich der Legat mißmutig dem Begehr zu entziehen.
»Eine Weigerung könnte Euch als Billigung, als Mitwi s serschaft ausgelegt werden.« Crean sprach als hilfreicher Freund.
Pian erbrach das Siegel. Er warf aber keinen Blick h i nein, sondern steckte ein Stück des Siegelbruchs in die T a sche. »Das reicht mir als Beweis.« Er reichte das Schreiben Crean: »Lest Ihr es und laßt mich dann wissen, falls es mich betreffen sollte. Ich
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