Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral
Euer opus magnum Formen annimmt, die seiner würdig sind.«
Er stand auf. »Geleite den Herrn Legaten zurück zu se i nen Räumen!« wies er Yarzinth an.
»Ich finde den Weg allein« sagte Pian leutselig. »Da n ken wir dem Herrn, der alles so gütig wendet.«
In der Tür drehte er sich noch einmal um. »… und nie einen Polen als Papst!« flüsterte er, sein Mittelfinger stach senkrecht in die Luft, zu ordinärer Geste.
»Amen!« antwortete Crean.
»Da haben wir uns was eingebrockt!« stöhnte der ›G e hilfe‹, als sie wieder allein waren.
»Das ist der Preis, Yarzinth!« entgegnete der erschöpfte Inquisitor. »Du mußt dem Legaten ab sofort Sedativa ins Essen beigeben und herausfinden, womit er sich sonst noch die Zeit vertreiben möchte, die wir, das heißt Ben e dikt, brauchen …«
Damit waren sie im Kreuzgang angekommen, wo sie der Bischof und Gavin erwarteten.
»Mürbe?« fragten sie.
Crean nickte.
»Wir haben inzwischen herausgefunden, was unser G e fangener im Keller zu sagen wünschte: Er kann nicht schreiben!« Gavin lachte. »Benedikt ist zwar kein Ana l phabet; er kann lesen und ist auch sonst nicht auf den Kopf gefallen, aber er hat nie Schreiben gelernt!«
»Gott der Allmächtige!« entfuhr es Yarzinth. »Das darf Pian nicht erfahren!«
»Wenn der aufgeblasene Trottel es bislang nicht g e merkt hat«, sagte Gavin, »wird sich das ja auch in Zukunft vermeiden la ss en!« Er lachte dröhnend. »Eine fabelhafte Verschwörung! Falsifikation eines Geständnisses, dessen Autor unfähig ist, auch nur eine lesbare Zeile zu Perg a ment zu bringen!«
Crean war blaß geworden, das warf nun alle Pläne wi e der um. »Das ist das eine«, faßte er sarkastisch zusammen, »das andere: Der Herr Legat ist Verfasser einer ausgieb i gen endgültigen ›Ysto-ria Mongalorum‹, an deren Texte er sich leider nicht erinnern kann, weil er sie dem Schre i ber, der nicht schreiben kann, diktiert hat und nun dessen scri p tum erwartet.«
»Worin wir ihm zur Hand gehen wollen!« sagte der B i schof schlau. »Yarzinth! Du hast doch bewiesen, welch exzellente Feder –«
»Ohne mich, Exzellenz«, sagte der Koch mit undurc h dringlicher Miene. »Ich sage den Dienst auf; lieber stelle ich mich Olim, dem Henker!«
Die Triëre
Konstantinopel, Sommer 1247
Es war ein herrliches Wetter. Das Auge hatte sich schon seit Tagen erfreut an den Inseln der Griechen, die aus dem türkis-farbenen Meer ragten, den hell leuchtenden Dörfern, die sich im Wasser spiegelten, den Tempeln auf den Höhen gegen einen lichten Himmel und den Fischerbooten, Dr a ken und Barken in den Buchten, von denen die Menschen herüberwinkten, wenn das Schiff mit g e blähtem Segel oder kraftvollem Schlag der Ruder vo r überglitt. Hier wohnten also die Götter! William konnte es ihnen nachempfinden.
Doch nichts überwältigte die Kinder so sehr wie der er s te Anblick des alten Byzantium, das sich wie der strahlende Olymp aus dem Propontis erhob. Eine mächtige Mauer lief zur Linken ins Land hinein, überwand Täler und H ü gel, umfaßte kraftvol l d ie ungeheure, nicht enden wollende A n häufung von Türmen und Kuppeln. Auch zur Meeresflanke hin, an der die Triëre jetzt grüßend vorbe i zog, gestattete sich die Stadt der Städte eine umlaufende Befestigungsa n lage, in der künstliche Hafenbecken, von Leuchtfeuern flankiert, eingelassen waren, samt riesigen Arsenalen, Bollwerken, Bastionen, gespickt mit Katapulten, Lagerhä u sern und Kranbäumen.
Und das Menschengewimmel darunter! Noch nie hatten die Kinder so viele Schiffe dicht aneinandergedrängt auf einmal gesehen. Wie armselig erschienen dagegen plöt z lich der Hafen von Marseille und der kleine von Civit a vecchia, den sie noch vor Augen hatten. Und die Waren, die Ballen, die Tonnen, die Amphoren und Kisten! Hoch aufeinande r gestapelt, als gälte es, die ganze Welt mit Gütern zu ve r sorgen, doch waren sie nur für die eine Stadt bestimmt, die jetzt immer höher dahinter aufragte, ein Häusermeer zum Hafen hin, darüber im satten Du n kelgrün der Zypressen der Hügel mit den eingestreuten Palästen und Kirchen; golden glänzten die Kreuze von ihren Dächern.
Die Triëre bog ins Goldene Horn ein und legte im Alten Hafen an, noch vor der Bootsbrücke, auf halber Höhe zw i schen dem Quartier der Genuesen und dem der Ven e zianer.
Die Gräfin stand im Schatten des Zeltvordaches der c a bana, und nichts deutete darauf hin, daß es ihr Schiff war, dessen Ruder jetzt eingezogen
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