Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral
Ihre Gunst ist nicht auf den morg i gen Abend beschränkt: Wir stellen die Kinder im M e ridian vor, hier, ohne Furcht vor kaiserlichen Sbirren zu Mittag s stund ’ !«
»Und die geladenen Gäste?« wagte der Bischof entg e genzuhalten.
»Sorgt für die Kunde!« wies ihn Turnbull zurecht. »Wem es vergönnt sein soll, in dieser Stunde mit uns zu sein, wer getragen ist vom Verlangen, den königlichen Kindern seine Aufwartung zu machen, der wird Ohren h a ben zu hören. Ein Stern wird heut ’ nacht über diesem P a last –« Er brach ab, die Vision hatte ihn erschöpft.
John Turnbull ließ seine Entourage stehen und ging zu den Kindern, die Clarion inzwischen zu kleinen mongol i schen Prinzen ausstaffiert hatte.
Ich verdrückte mich; denn mein Schamanengewand, ein weiter Kaftan mit überlangen Ärmeln, besetzt mit Kn ö chelchen, zahlreichen Rasselringen und farbigen Bändern erschien mir zu lächerlich. Am schlimmsten empfand ich jedoch die kupferne Gesichtsmaske, der um die Mundöf f nung Barthaare aus Fell aufgeklebt waren und falsche Stirnfransen, Glöckchen an den Ohren. Dazu hatte mir Cl a rion eine Trommel in die Hand gedrückt, deren Schlegel wie Fliegenwedel aussahen. So wollte ich nicht auftreten, aber die Kinder waren begeistert.
»Wie fühlt Ihr Euch als Mutter Maria«, hörte ich Gavin den Bischof verspotten, »in Erwartung eines mittäglichen Bethlehems?«
»Wie der Esel!« fauchte della Porta. »Wir müssen den Saal abdunkeln«, setzte er hinzu, »sonst ist die Stimmung zum Teufel!«
»Der wird uns in jedem Fall die Ehr ’ erweisen – ob nun am hellichten Tage oder in künstlicher Nacht – wir treten in das aequinoctium ein, da spielt der Fürst dieser Erde den Seinen zum Tanz«, tröstete ihn Gavin, grad als sie meiner ansichtig wurden. Der Bischof bekreuzigte sich, während Gavin in eine Lache des Hohnes ausbrach, als ich mir die Maske vom Gesicht riß.
»William ist die wandelnde Garantie«, rief er aus, »daß morgen alles schiefgeht, was schiefgehen kann!«
Inzwischen waren die Kinder neu eingekleidet. Roç trug über weiten, bestickten Hosen und Brokatstiefeln einen fürstlichen Ze-remonialmantel mit Stehkragen und daru n ter eine goldgewirkte Weste. Um seine schlanke Taille war ein Seidentuch geschlungen, aus dem das edelstei n besetzte Gehänge einer Schwertscheide blitzte, in die Clarion zwei elfenbeinerne Eßstäbchen geschoben hatte, um nicht neue Gefahren heraufzubeschwören. Von se i nem Bogen und Köcher wollte er sich sowieso nicht trennen. Der Mantel verbarg das kriegerische Gerät.
Yeza hatte – um ihre Hosen zu retten – sich für ein wa t tiertes Jackenkleid entschieden, das mit enorm hochgepol s terten Schultern sie zu einer kleinen Puppenfrau stil i sierte. Ihr Ohrgehänge, ihre Ketten und Armreifen, vor allem aber ihr langer Kunstzopf ließen sie wesentlich älter erscheinen. Clarion hatte für sie – wie für Roç – eine Kappe gewählt, die diademgeschmückt an eine Kr o ne erinnerte, den Dolch trug sie an einer Kette, zusammen mit anderen Gerätscha f ten hausfraulicher Tugend wie Feuerzeug, Scher, Kamm und Schnupf dose.
Sie sahen stattlich aus, doch trotz der kindlichen Würde, die sie ausstrahlten, waren sie mir plötzlich sehr fremd. Sie beachteten mich auch nicht, sondern lächelten sich an und lauschten geduldig den Anweisungen, die ihnen John Turnbull mehr großväterlich denn patriarchalisch erteilte:
»Wenn William euch hierhergebracht hat und sich z u rückzieht, dreht euch nicht nach ihm um – verstanden? Ich trete dann zu euch und nehme die Weihe vor –«
»Bekommen wir ein Geschenk?« wollte Yeza sogleich wissen.
Roç knuffte sie. »Es gibt Ehre, nicht wahr?« Sein Blick wandte sich fragend an mich; ich nickte.
»Und dann feiern wir die chymische Hochzeit!« sagte John feierlich. Er schloß verzückt die Augen, womit ihm entging, daß Yeza ihrem Gefährten den Knuff von eben zurückgab, worauf Roç Bedenken kamen: »Für immer?«
»Proben wir ’ s mal!« mischte sich die Gräfin ein, der j e des Gefühl für Innerlichkeit abging. »Yeza, gib ihm ein Küßchen!«
»Um aller Geister willen«, rief Gavin, »zerstört nicht die Magie eines solchen Augenblicks mit dümmlicher D e monstration menschlicher Regungen!«
»Lächelt euch an, nehmt euch an der Hand – und sonst nichts!« trug jetzt auch der Bischof seinen Teil bei. »Der Heilige Geist besorgt den Rest!«
»Wie«, spottete der Templer, »die Taube vom Dienst e r scheint auch? Das
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