Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral
Losung Roms. »Am Tag des Jüngsten G e richts wird der Herr die Seinen schon finden!« Das U n geheuer wälzte sich durch das Languedoc, stülpte sich über Toulo u se und Carcassonne, würgte Beziers und Termes, folterte mit den Krallen der Inquisition, zertrat die Kultur des lie b lichen Okzitanien und löschte Menschen und Sprache aus.
Als das Tier sich derart gelabt hatte am Blut Unschuld i ger, wandte es sich seinem Mündel zu. Friedrich war nach de m f rühen Tod seiner Eltern schon als Knabe auf den Thron gelangt. Der junge Staufer war zwar so weit vergi f tet, daß auch er bis auf den heutigen Tag in den Katharern nichts als auszurottende Ketzer sehen mag. Aber mit seiner klaren Idee von der Stellung des Kaisers entwand er sich der Umarmung seines Vormunds.
I nnozenz wurde vom Schlagfluß dahingerafft. Doch dem Leib des Ungeheuers erwuchs sofort ein neuer Drache n kopf: Gregor IX. Unter ihm setzte dann unerbittlich die Verfolgung der Staufer ein. Dem jetzigen Papst, Inn o zenz IV, rinnt der Geifer aus dem Maul, wenn er schwört, Frie d rich und sein ›Nat-terngezücht‹ zu vernichten. Oh, warum nimmt der Kaiser nicht all seine Kraft zusammen und e r schlägt das entsetzliche Tier, verbrennt es in einem riesigen Scheiterhaufen auf dem Castel Sant ’ Angelo, daß die Mauern ob der Hitze bersten, und verstreut seine Asche in alle Winde!
W ir stehen heute vor dem Beginn eines neuen Kreuzz u ges, eines großen und sorgsam vorbereiteten Unterne h mens von Ludwig IX., König von Frankreich. Ich, als Schreiber dieses Memorandums, wage vorherzusagen, wie er enden wird: in einer Katastrophe.
Jerusalem ist für immer verloren. Selbst wenn wir es z u rückgewinnen sollten, werden wir es nicht halten können. Es ist nicht mehr mit einem Kreuzzug getan: Gewaltige Hee r scharen müßten als Besatzer in der Terra Sancta st e hen, um das Eroberte verteidigen zu können. Hundertfün f zig Jahre voller Greuel und Ungerechtigkeiten, B e drohung und Haß haben auf beiden Seiten so viel Verbitterung e r zeugt, daß kein Frieden, keine Versöhnung mehr in Sicht ist.
D as alles erfüllt mich mit tiefer Trauer und Besorgnis. Für jemanden wie mich, dem das Mittelmeer nicht Mare Nostrum der Römer ist, sondern mediaterra, also Bind e glied, nicht Trenngraben zwischen den Ländern des Mo r gen- und Aben dl andes, ist der Zeitpunkt gekommen, ve r antwortungsvoll dieser beschämenden Entwicklung gege n zusteuern.
Ich bin ein Sohn des Languedoc, wo für mich der Kelch des Abendlandes stand – dort und nicht in Rom, und das schon lange vor der Ankunft des Tieres! Wenn mich sein giftiger Odem auch in das Exil des Orients getrieben hat, denke ich immer noch als Okzitanier:
Ich kann im Wahlkönigtum den Finger Gottes nicht e r blik-ken. Der gesalbte Herrscher wird gegeben, eingeg e ben!
Aber die Dynastie, derer das mediterrane Reich bedarf, gibt es nicht. Noch nicht!
H err , ich bitte dich um Erleuchtung, welche Elemente des Abendlandes dem Schmelztiegel beizugeben sind, we l chen Adern der Lebenssaft entströmen soll, welche Tro p fen Bluts der göttlichen Mischung unerläßlich sind. Herr, laß mich des lapis excillis teilhaftig werden, um das Gr o ße Werk zu vollbringen!
Sicher ist die Basis in der Nachkommenschaft des Ha u ses David, im aussterbenden Geschlecht der Trencavel. Ihr Anspruch ist unzweifelbar und erfüllt mein Herz mit Stolz; ihr Blut kreist beiderseits der Pyrenäen und vertritt ganz Okzitanien.
Und dann der Adel Frankreichs! War es nicht der große Bernhard aus dem Hause Chatillon-Montbard, der initiie r te, daß der Orden des Tempels gegründet wurde, seine Aufgabe erhielt und erfüllte? Ein Geschlecht, das es ebe n falls zu bedenken gilt, sind die normannischen Hüter der Eiche von Gisors. Damit wäre auch das England der Anjou und Aquitaniens einbezogen.
Aus dem Deutschen kommt nur das Gewächs der Sta u fer in Betracht; ich spüre ihren Drang zur Verbindung mit dem › sang réal. Sie verfügen über eine Kraft, die dem Hause Okzitaniens verlorengegangen ist. Stupor mundi. Friedrich wird ihren Triumph nicht mehr erleben, aber sein Samen wird aufgehen in den zukünftigen Her r schern.
Ich vermag heute nur für das Abendland zu sprechen. Sein Blut, das des höchsten Adels, ist gerettet; die Verm i schung mit der Idee des von Gott gewollten Kaise r tums hat stattgefunden. Unsere Aufgabe ist nunmehr, die Verein i gung mit der Nachkommenschaft des Propheten Moha m med, der Schia, herbeizuführen. Deshalb
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