Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral
eingeschüchtert und zeigten mit den Fingern bede u tungsvoll auf den Gaul.
Nun reiste ein Dominikaner-Inquisitor selten allein, vor allem nicht in Ausübung seines Amtes. Er liefe Gefahr, von der Bevölkerung erschlagen zu werden. Dieser hier mußte daher von einer Spezies sein, die ihrer körperlichen E r scheinung oder Kraft soweit vertrauen konnte, daß sie auf begleitende Wachen verzichten konnte und wollte. Also ein einsamer Wolf – oder der Teufel selbst. Lorenz war nicht erstaunt, in dem fast menschenleeren Schankraum Vitus von Viterbo am Tisch zu finden.
Der war auch nicht überrascht, eher übel gelaunt: »Was machst du hier?« knurrte er Lorenz an, seine Feindseli g keit nicht verbergend.
»Seine Eminenz, der Patriarch von Antiochia!« stellte der kleine Minorit Albert vor, die Unfreundlichkeit des Em p fanges übersehend. »Und seine Exzellenz, der Bischof von Beirut. Sie wollen, daß ich sie zum Papst bringe.«
»Elia hat uns versprochen«, maulte Galeran sogleich, »wir würden den Heiligen Vater sehen!«
»Den Heiligen Geist vielleicht auch?« spottete Vitus ä r gerlich, ohne sich zu erheben. Es kam ihm nicht in den Sinn, an diesem Ort zwei hohe Würdenträger der Terra Sancta in schlichter, wenn nicht schlechter Gesellschaft eines Franziskaners anzutreffen, der offensichtlich das G e bot des Ordens mißachtete, mit dem verfemten Generalm i nister zu ve r kehren. Oder tat er ’ s in geheimer Mission, von der er, Vitus, nichts wissen sollte?
»Elia ist mit William von Roebruk in den Süden.« Er beobachtete die Wirkung seiner Worte auf Lorenz. »Der Herr Papst hat sich dagegen auf den Weg nach Lyon g e macht, um auf einem Konzil den Staufer und seine Anhä n ger zu verdammen!« Vitus fügte nicht hinzu: ›So de m nächst auch dich, Lorenz von Orta!‹
Der Franziskaner ließ sich nicht irre machen in seiner freundlichen Beharrlichkeit: »Das ist kein Widerspruch in sich, werter Vitus!«
Sie setzten sich an den Tisch des Viterbesen, und Biro, der Wirt, servierte unaufgefordert eine Kanne des edlen Roten.
»Der Papst erwartet dich in Lyon«, ließ Vitus jetzt die Katze aus dem Sack, »wegen einer Mission nach Anti o chia –«, und jetzt war Lorenz doch perplex, oder log dieser Dominikaner einfach so dummdreist? Vitus wollte ihn aus der Reserve locken. Lorenz schaute freundlich drein, doch Albert zeigte sich in zunehmendem Maße beunruhigt, ja indigniert.
»Weswegen?« grollte der Patriarch, was Vitus veranla ß te, genüßlich fortzufahren: »Du sollst die Anweisung des Heiligen Vaters durchsetzen, diejenigen Griechen, we l che die Oberhoheit des Papstes anerkennen, mit den L a teinern auf die gleiche Stufe zu stellen –«
»Ich bin der Patriarch von Antiochia!« explodierte jetzt Albert polternd. »Der Papst kann nur mit mir sprechen.« Er lief rot an, sein Bart zitterte. »Eine solche Mission ist unn ö tig, ungehörig, unverzeihlich« – er schnappte nach Luft –, »ungeheuerlich!« Und sein Begleiter fühlte sich verpflic h tet, ihm zur Hilfe zu kommen. »Ein Grieche«, lamentierte er wie um Entschuldigung heischend, »ist zwar des Me n schen bester Freund –«
Aber da war er beim Patriarchen an die falsche Adresse gekommen. »Der Heilige Stuhl kann und darf die Orthod o xen nicht auf die gleiche Stufe stellen wie seine treuen Diener!«
»Wir wollen zum Papst!« insistierte Galeran, auf den schon gar keiner hörte.
»Soll ich also nach Antiochia?« fragte Lorenz belustigt.
»Nein«, fauchte Vitus entnervt, »nach Lyon!«
»Elia wollte uns zum Papst bringen«, jammerte Galeran, und Albert, der jetzt keinem mehr traute, setzte erleuchtet hinzu: »Wenn der Generalminister sich gen Süden g e wandt hat, dann ist der Papst vielleicht gar nicht in L y on?«
Weder Vitus noch Lorenz hatten Lust, diesen versand e ten Klerikern aus dem Königreich Jerusalem zu erklären, daß der Herr von Cortona und Seine Heiligkeit Innozenz IV durchaus verschiedene Wege gehen konnten. »Und was willst du hier?« fragte Lorenz statt dessen unvermi t telt sein Gegenüber. »Wolltest du vielleicht zu Elia?«
»Ich setze meinen Fuß nicht über die Schwelle eines von der Kirche Verstoßenen, ich« – Lorenz ließ ihm die Zeit, sich eine Lüge auszudenken –, »ich bin auf dem Weg nach Lyon!«
Darauf hatte der Franziskaner nur gewartet: »Vitus, mein Bruder«, sagte er, »wenn du sagst, daß du nach Lyon willst, weiß ich, daß du weißt, daß ich dir keinen Glauben schenke. Warum also sagst du, daß
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