Gran Reserva
Gebrauchs. Er roch daran.
Seife.
»Was machst du denn da?«, fragte Cristina. »Die Gruppe kommt. Schieß schnell ein Foto!«
Max hörte die näher kommenden Schritte und schoss ein Bild. Extremes Makro.
So etwas hatte er sich gedacht.
Ein Haar fand sich in einer mikroskopisch kleinen Spalte des Hammers. Es war weiß, wie das von Alejandro Escovedo. Er zeigte es Cristina und beugte sich zu ihrem Ohr, um hineinflüstern zu können. »Der Mörder hat sich offenbar die Mühe gemacht, die Tatwaffe zu säubern und wieder an ihren Platz zu hängen, anstatt sie irgendwo zu entsorgen.«
»Das ist mir völlig egal. Und jetzt geh. Bitte.«
»Die Leiche versteckt er in der hintersten Ecke der Schatzkammer. Auch das Mordwerkzeug lässt der Mörder am Tatort zurück – anstatt beides verschwinden zu lassen. Wo gibt es denn so was?«
»Bei Faustino«, antwortete Cristina. »Aber wir werden es nicht in unsere offizielle Tour aufnehmen.«
Wie sich herausstellte, war Cristina heute von ihrem Großvater zu Faustino gefahren worden, da ihr eigener Wagen zur Inspektion in die Werkstatt musste. Max bot ihr an, sie nach Hause zu fahren – oder besser: er überredete sie. In ihren Augen war weiterhin ein raubtierhaftes Lauern, doch bot man einer Katze einen bequemen Platz – oder einen leeren Pappkarton –, konnte sie kaum widerstehen. In diesem Fall war Maxʼ Jeep die unwiderstehlich gemütliche Kartonage, die Cristina sogar nach Hause bringen konnte.
Sie lebte in La Bastida, einem kleinen Ort westlich von Haro, der seine Blüte im 17. und 18. Jahrhundert hatte und heute zum größten Teil vom Weinbau lebte.
Eine Geisterstadt.
Niemand auf den Straßen, kein Auto, sämtliche Fensterläden geschlossen. Es fehlte nur, dass wie in Western Tumbleweeds vom Wind über die staubigen Straßen gepustet wurden.
Home sweet home.
»Und welches ist dein Haus?«
»Fahr da rechts in die kleine Straße, da kannst du mich rauslassen.«
Sie zeigte auf eine Hinterhofgasse ohne Bürgersteig. Keine Hauseingänge zu sehen.
»Ich fahr dich gern bis zur Tür. Kein Problem.«
»Nein, hier ist prima. Ich möchte noch ein paar Schritte gehen.«
Max blickte sie an. »Du willst nicht mit mir gesehen werden.« Er fuhr in die Gasse und bremste hart. »Wünsch dir noch einen schönen Tag.« Er beugte sich über sie und öffnete die Beifahrertür. »Hoffe, du kannst heute Nacht gut schlafen.«
Das war zu viel, Max merkte es, als die Worte seinen Lippen entwichen. Doch er war es nicht mehr gewohnt, dass man sich seiner schämte. Er war es gewohnt, dass man sich mit ihm schmückte.
Cristina lehnte sich zu ihm, es sah für einen Moment aus, als wolle sie ihn küssen, doch dann strich sie ihm nur sanft mit der Hand über die Wange, bevor sie wortlos seinen Wagen verließ.
Max schaute ihr hinterher.
Ihr Schritt schwenkte nicht perfekt die Hüfte, wie der eines Models. Sie ging, als wate sie durch ein Kohlfeld. Und Max fand das sogar noch erotischer. Auch als sie längst um die Ecke gebogen war, blickte er noch in ihre Richtung.
Max war jetzt nicht nach Autofahren. Ihm war nach Nachdenken, nach Spazierengehen. Er ließ seinen Jeep einfach stehen und ging in die Richtung, die nach Zentrum aussah. Soweit ein Nest wie La Bastida eines hatte.
Vielleicht gab es ja auch hier einen Platz mit großem Baum, Bank darunter und Brunnen daneben. Wo der Ältestenrat täglich die Fußballergebnisse diskutierte und feststellte, dass früher alles besser war.
Er hatte geglaubt, die Frauen mittlerweile zu kennen. Doch das war ein Trugschluss. Man wusste nie, was sie dachten oder wollten. Man konnte Hochrechungen anstellen, Statistiken auswerten, empirische Ergebnisse zu Rate ziehen – und lag dann doch völlig daneben. Im Kopf und im Herzen einer Frau gab es zu viele Unbekannte. Es war wie eine fremde Stadt, in der man sich verlief, ohne Straßenschilder und mit so vielen Wolken am Himmel, dass sich nicht einmal die Himmelsrichtung bestimmen ließ.
Bei Esther hatte er immer gewusst, woran er war. Nach so vielen gemeinsamen Jahren.
Nach viel zu vielen gemeinsamen Jahren.
Vor dem Rathaus, dem Ayuntamiento, saß ein alter Mann auf einer Bank, den rechten Arm auf einen Holzstock gestützt, der in all seiner knorrigen Verdrehtheit ein Rebstock sein mochte. Auf Dorfklischees war also doch Verlass. Der Mann wirkte wie eine Skulptur, so wenig bewegte er sich. Seine Kleidung schien dem Wind völlig egal zu sein und bewegte sich ebenfalls nicht.
Max setzte sich neben
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