Gran Reserva
Tanz. Die Cuadrilla, hatte Juan ihm erklärt, begleitete einen Spanier durch das ganze Leben, war wie eine zweite Familie und für viele sogar wichtiger als diese. Wer bei der Cuadrilla nicht ankam, der hatte verloren.
Genau auf solchen Scheiß hatte Max keinen Bock mehr.
In der Modeindustrie war Stutenbissigkeit gang und gäbe – und die Hengste waren dental kein bisschen besser. Eher im Gegenteil.
Maria bestellte eine Runde Rosado und lehnte sich verschwörerisch vor, als die Gläser vor ihnen standen. »Habt ihr das von dem Toten im Ebro gehört? Eine ganz mysteriöse Sache. Die ganze Stadt spricht davon!«
»Lasst uns doch über was anderes reden«, sagte Cristina laut. »Es ist doch so ein schöner Abend, da will ich mir nicht die Laune mit Geschwätz über einen toten, alten Mann verderben.«
Doch Maria holte bereits einen Zeitungsabschnitt hervor. »Ach was. Das ist doch spannend. Endlich passiert mal was in unserem verschlafenen Nest! Sie haben heute die Strecke seiner Wanderung abgedruckt. Die Policía hat sogar einen Verdächtigen, den sie aber wieder freilassen mussten aus Mangel an Beweisen. Doch er steht weiter unter Beobachtung. Ich glaube ja, der warʼs. Ist wahrscheinlich nur wegen eines Winkeladvokaten wieder auf freiem Fuß. Da läuft es einem eiskalt den Rücken runter, was? Der könnte glatt hier mit uns in der Bar stehen. Stellt euch das mal vor!«
Max sah sich um. Kein Gesicht blickte zu ihm, doch die Bar war so voll, dass ein Zivilpolizist direkt neben ihm stehen und lauschen könnte, ohne dass er etwas davon merkte. Alle redeten, alle tranken, alle aßen. Nur ein Typ in der Ecke war allein, graues, kurzes Haar, das Gesicht wie ein verprügelter Jean-Claude van Damme und den Kaugummi in seinem Mund malträtierend, als sei dieser für alles Elend auf der Welt verantwortlich.
André schaltete sich in das Gespräch ein. »Nur weil Escovedo aus dem Baskenland stammt, reden die Leute über ETA-Verbindungen. Als wäre jeder Baske ein Terrorist. Völlig lächerlich.«
»Richtig, manche sind auch nur völlig unpolitische Hobby-Bombenleger. Das sagst du ja nur, weil du aus Vitoria stammst«, konterte Elena. »Was meinst du denn zu der Sache, Max?«
»Ja«, unterstrich Carlos, »was meinst du? Das würde mich interessieren.«
Max hob abwehrend die Arme. »Ich halte mich da raus. Scheint mir viel zu früh, um Vermutungen anzustellen. Vielleicht ein Verbrechen aus Liebe?«
»Bei einem Greis, der den Jakobsweg wandert?« Carlos schnaubte verächtlich. »Und bevor du jetzt sagst, dass es um Geld ging: Er hatte kaum was bei sich, er ist nicht bestohlen worden, und auch sonst ist er nicht reich. Tierpfleger verdienen nicht so viel. Zumindest in Spanien, und in Rente erst recht nicht.« Er boxte ihn neckisch, aber verdammt fest gegen den Oberarm.
Gegenangriff.
»Viel mehr als der Tote interessiert mich, wie es Cristina geht. Ich meine, der Besuch des Königs steht doch bevor. Da hast du sicher irre viel zu tun. Du organisierst doch alles, nicht?«
Sie blickte ihn dankbar an. Carlos entging dies nicht.
Treffer. Versenkt.
»Nein, nicht allein, unserem Exportmanager wurde das als Zusatzaufgabe aufgehalst, und ich unterstütze ihn.«
Elena schüttelte entschieden den Kopf und nahm sie in den Arm. »Blödsinn! Du machst die ganze Arbeit. Hoffentlich sieht das auch mal einer.«
Cristina gab ihr einen Kuss. »Du bist die Beste!« Sie bestellte eine neue Runde, natürlich stammte der Wein von Faustino. Er hieß »9 mil«, weil es nur neuntausend Flaschen davon gab. Ein Tempranillo von einem fünfzig Jahre alten, exzeptionellen Weinberg an den Hängen der Sierra Cantabria. Nicht billig, aber Cristina brauchte jetzt anscheinend einen Schluck davon. »Die Sicherheitsvorschriften sind der Wahnsinn. Die Security des Königshauses und die örtliche Polizei hatten schon drei Termine bei uns. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie viele Auskünfte und Bescheinigungen wir vorlegen müssen. Für den Abend ist ein Festessen in unserem großen Speisesaal geplant, dem tollen mit der hohen Decke und den achtzig Plätzen, alle Gäste werden im Vorhinein durchleuchtet. Es ist die Hölle. Aber…«
»Sind wir denn auch eingeladen?«, fragte Carlos.
Cristina lächelte schief. »Dich lassen sie bestimmt nicht rein. Nur Sportler, die mal eine Olympiamedaille gewonnen haben. Oder die Tour de France.«
Sportler war er also auch noch. Also ein durchtrainierter, athletischer Körper. Max war nicht unsportlich, aber jetzt
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