Gran Reserva
Verkäufer zumindest behauptet. Aber der hatte viel erzählt. Das Wundergerät konnte scheinbar alles außer Beamen. Aber heute reichte ihm Google.
Verdammt! Waren seine Finger so dick oder die Tasten so klein? Verflixtes Handy!
Dann hatte er endlich alles eingetippt. Timothy war kein Unbekannter im Netz. Timothy Pickering, 47 Jahre alt, Harvard-Absolvent in Mathematik.
Er hatte sogar eine eigene Homepage: »Ultra-Rare Wines – For the Luxury Connoisseur «.
Der Seitenhintergrund war schwarz, die Schrift in einem Goldton gehalten. Aus den Lautsprechern war ein knallender Korken zu hören, gefolgt vom Geräusch des Eingießens eines prickelnden Schaumweins. Maxʼ Phantasie ging mit ihm durch, und er sah vor seinem inneren Auge, wie der Wein nicht in ein Glas, sondern in den Bauchnabel einer dunkelhaarigen und braunäugigen Schönen eingegossen wurde, die Cristina nicht unähnlich sah. Als er wieder in der Realität angekommen war, stiegen vom unteren Bildschirmrand Bläschen auf. Sie waren großartig animiert. Dann füllte sich das Display von oben mit Schaumwein, Champagner, keine Frage. Die Bläschen wurden größer und verwandelten sich in die glitzernden Unterpunkte des Website-Menüs. Timothy bot private Weinproben mit Raritäten an, Vertikalen von Kultweinen, Proben mit passenden Käsen, Schokoladen oder Zigarren. Eine andere Menü-Blase führte zu Reisen zu Weingütern, darunter Bordeaux-Châteaus wie Lafite und Latour, DRC im Burgund, Egon Müller in Deutschland. Ja, er bot sogar Winzern Beratung an und Privatiers, die in Weinfonds investieren wollten. Ein anderer Teil der Homepage befasste sich mit Timothy selbst. Er trug den Titel MW, Master Of Wine, die höchste Auszeichnung, die man nach einer langen Ausbildung in der Weinwirtschaft erringen konnte. Es gab nur rund dreihundert MWs weltweit, sie waren ebenso renommiert wie gefragt. Wer hätte bei seinem Benehmen solch einen hohen Rang erwartet.
Timothy verkaufte auch Wein, allerdings ausschließlich alten. Die Liste gab es nur auf Anfrage.
Und man konnte Mitglied in seinem Weinklub werden. Die Jahresgebühr betrug stolze fünftausend Dollar für sechs Proben. Die Themen: Bordeaux, Burgund, Champagne, Piemont, Mosel, Rioja.
Termine in nächster Zeit: Keine. Letzte Aktualisierung der Seite: Vor über zwei Jahren.
Max versuchte auf anderen Seiten mehr über Timothy Pickering herauszufinden. Einige amerikanische Blogger berichteten über Weinfälschungen im Zusammenhang mit ihm. Seit einem Prozess, bei dem er gerade noch den Kopf aus der Schlinge ziehen konnte, wurde er mit Argusaugen beobachtet – und alles ging nun wohl mit rechten Dingen zu.
Yquem drehte sich auf den Bauch, stand auf und stupste Max mit seinem Näschen, die Schnurrbarthaare kitzelten ihn im Gesicht.
»Schon wieder Hunger?«, fragte Max.
»Er nicht«, antwortete eine Stimme hinter ihm. »Aber ich.«
Max drehte sich um.
Cristina. Sie trug ein leichtes Sommerkleid mit Klatschmohnblüten und streckte ihm ihre Hand entgegen.
»Kommst du?«
»Wohin?«
»Keine Fragen, Max. Komm einfach mit.«
»Aber…«
»Wenn eine spanische Frau dir sagt, dass du mitkommen sollst, dann kommst du mit.«
Das war, dachte Max, eigentlich bei allen Frauen so. Weltweit. Darin waren sie sich einig. Männer hatten folgsam zu sein.
»Als ich bei dir geschlafen habe, hast du nicht versucht, mit mir… zu schlafen, Max. Obwohl du es wolltest. Eine Frau spürt so etwas.« Sie zog Max näher an sich heran.
»Aber du wolltest doch nicht…«
»Lass mich ausreden.« Sie zog pantomimisch einen Reißverschluss über Maxʼ Mund zu. »Du hast mich begehrt, doch du hast dich zurückgehalten. Du konntest warten, hast mich nicht bedrängt.«
Es klang wie ein Kompliment, doch so richtig sicher war Max sich nicht. Er fragte lieber nicht nach. Cristina hatte ja den Reißverschluss zugezogen.
»Jetzt komm mit.«
Sie führte ihn zu ihrem Wagen. Als er den Mund öffnete, um etwas zu sagen, hob sie den Finger vor die Lippen. Er sollte weiter schweigen. Gingen sie vielleicht essen? Eben hatte Cristina doch gesagt, dass sie Hunger habe. Wo würden sie hingehen? Wieder eine Runde durch die Tapas-Bars?
Sie fuhren eine ganze Weile, aus den Boxen des Wagens drang das Album »The Kick Inside« von Kate Bush. Track 6, »Wuthering Heights«, ließ Cristina gleich mehrmals spielen. »Das ist mein Lieblingslied, Max. Gefällt es dir?«
Max nickte. Es gefiel ihm. Nach einiger Zeit sang er sogar den Refrain mit.
So gut es
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