Granger Ann - Varady - 04
Dinge,
die nicht mit den Wildes oder dem toten Clarence Duke in
Zusammenhang standen. Ich trottete zu Reekie Jimmie, um
zu sehen, wie weit er mit seinen Bemühungen vorangekommen war, das einstige Kartoffelrestaurant in eine Trattoria zu verwandeln, und wann ich damit rechnen konnte,
mit meiner neuen Arbeit anzufangen.
Ich erlebte einen kleinen Schock, als ich den Laden sah.
Ich hatte geglaubt, Jimmie wollte ein wenig Farbe an die
Wände klatschen, ein paar Chianti-Flaschen aufhängen, die
eine oder andere Plastikpflanze aufstellen und sich damit
begnügen. Doch das Erste, was ich beim Näherkommen sah,
war ein Schildermaler, der soeben die letzten Pinselstriche
über der Tür anbrachte. Ristorante Pizzeria San Gennaro stand dort in geschwungener Schrift zu lesen. Das Restaurant dahinter war ausgebeint worden. Tischler und Zimmerleute hämmerten und sägten, und ein Stuckateur bearbeitete die Wände. Mehrere andere Arbeiter liefen durcheinander und gestikulierten und diskutierten.
Ich schob mich durch die Tür. Jetzt konnte ich hören,
dass sich alle auf Italienisch unterhielten. Es schien, als würde Jimmie seine Umbaubemühungen bis in nie gekannte
Extreme treiben. Wie original sollte das Restaurant denn
werden? Wie viel Geld gab er dafür aus? Ich wich einem
Loch im Dielenboden aus und einem davor kauernden Elektriker und versuchte, nicht allzu viel Staub einzuatmen, während ich nach hinten zu Jimmies Hinterzimmer weiterging.
Jeder Arbeiter, an dem ich vorüberkam, unterbrach für einen Moment sein Tun, blickte auf, grinste mich mit blitzenden Zähnen an und schaffte es, mir vermittels Körpersprache nahe zu legen, dass er die beste Chance war, die ich
im Verlauf der Woche wohl kriegen würde.
Jimmie war nicht allein in seinem Hinterzimmer. Ein
kleiner, schicker Mann in einem schwarzen Mantel war bei
ihm, der aussah, als wollte er soeben gehen. Er hatte einen
schicken Dokumentenkoffer und ein paar schwarzer Lederhandschuhe aufgenommen. Er starrte mich aus eiskalten
Augen an, die in merkwürdigem Kontrast zu dem lächelnden Mund unter seinem herabhängenden Schnurrbart standen.
»Na los, komm rein, Süße!«, rief Jimmie, als ich Anstalten
machte, draußen stehen zu bleiben, weil ich nicht stören
wollte. »Du hast noch gefehlt! Also, Silvio, diese junge Lady
hier wird eine von unseren Kellnerinnen. Wir können uns
glücklich schätzen, dass sie hier mitmachen will.«
Er gestikulierte stolz in meine Richtung und fügte erklärend hinzu: »Mach dir keine Gedanken wegen ihrer Stiefel –
sie ist ein nettes katholisches Mädchen aus gutem Hause.«
Was? Ich wohne in einer Garage, Jimmie! Doch das sagte
ich nicht, wahrscheinlich, weil ich viel zu verblüfft war, aber
gedacht habe ich es ohne jeden Zweifel.
Jimmie strahlte mich an und winkte mir, näher zu treten.
Ich gehorchte und fühlte mich ziemlich dümmlich dabei.
Sie kennen das Gefühl, wie es ist, wenn man klein ist und
irgendwelche stolzen, aber fehlgeleiteten Verwandten mit
einem angeben wollen, obwohl sie einen im Grunde genommen lächerlich machen? Sie lassen einen singen oder
Gedichte aufsagen oder am Klavier spielen oder sonst irgendwas Dämliches. Und man macht mit in dem sicheren
Wissen, dass es schrecklich werden wird, dass man die Worte des Gedichts vergessen hat oder das eingestrichene C auf
dem Klavier nicht mehr funktioniert, sodass es nur rasselt,
wenn man die Taste drückt. Genau dieses Gefühl hatte ich
in jenem Augenblick, als wäre ich wieder fünf Jahre alt.
Silvio musterte mich aufmerksam von Kopf bis Fuß und
kam offensichtlich zu dem Schluss, dass ich den Erwartungen genügte. Er erkundigte sich nach meinem Namen. Sein
Akzent war nur schwach, und seine Hände sahen nicht aus,
als hätte er jemals richtig damit gearbeitet. Seine Fingernägel waren manikürt, und er trug einen breiten Ehering und
eine Uhr, die ich als echte Rolex zu erkennen glaubte, nicht
die Sorte, die man bei einem Kerl auf der Straße kaufen
konnte, der einen ganzen Koffer voll davon hatte. Ansonsten war Silvio eine gut gekleidete, leicht kahl werdende, mittelalte Version der Typen draußen. Als ich sagte, dass ich
Fran wäre, Kurzform für Francesca, blitzte er mich mit goldenen Zähnen an und informierte mich, dass ich einen italienischen Namen hätte, als wäre das etwas, worauf ich stolz
sein könnte und nicht meine Eltern. Ich klärte ihn nicht
darüber auf, dass meine Familie aus Ungarn und nicht aus
Italien stammte und dass ich nur
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