Granger Ann - Varady - 05
nichts damit zu
tun haben. Susies Eintreffen hatte mir eine bequeme Ausrede
verschafft, meine Erkundigungen auf später zu verschieben.
Susie drückte mir ein kleines grünes Büchlein in die Hand.
»Das hier ist der Highway Code . Du musst ihn auswendig lernen.«
Ich blätterte das Büchlein durch. »Was denn, etwa alles?«
»Ganz recht, alles. Du weißt nicht, was die Prüfer dich
fragen.«
»Ich muss meinen Text für das Stück lernen!«, protestierte ich. »Ich kann nicht beides gleichzeitig!«
»Aber natürlich kannst du«, widersprach Susie gleichmütig.
Susie fuhr uns zu den Wohnblocks, wo sie lebte. Es sei dort
ruhig am Morgen, erklärte sie. Gewiss keine Gegend, um
sich länger als nötig aufzuhalten. Der Wind wehte unangenehm um die Ecken und Balkone und raschelte in den Abfallhaufen. Eine schwache Sonne schien auf weggeworfene
Fixernadeln. Die einheimischen Ganoven und andere
Nachtvögel schliefen lang. Wer einen legalen Job hatte, war
zur Arbeit gegangen. Die Älteren hatten sich hinter verstärkten Türen verbarrikadiert und starrten mit leeren Blicken in ihre Fernseher. Jeder übrige Bewohner der Gegend
hämmerte bereits auf die Tresen des Sozialamts und beschwerte sich über die unzureichende Unterstützung, die er
bekam. Ein ganz normaler Morgen also.
Für den Fall, dass Sie sich fragen: Die Leute wohnen nicht
aus freien Stücken in diesen sogenannten Mietskasernen. Sie
werden dorthin abgeschoben. Manche versuchen, daran zu
arbeiten, dass es besser wird, doch nach einer Weile wird es
ihnen zu viel, und sie geben auf und machen es wie alle anderen auch.
Ich – mit Susie neben mir – fuhr immer wieder um den
Block herum, ohne jemanden in Schwierigkeiten zu bringen
und ohne jemanden, der mich in Schwierigkeiten brachte.
Die Probleme fingen an, als ich aufhörte, die Blocks zu umrunden, und stattdessen auf dem von leeren Bierdosen und
Abfällen übersäten Platz vor den Garagen anfing, das Wenden in drei Zügen zu üben. Es gab nicht genügend Garagen,
nicht annähernd genug, um die Nachfrage zu befriedigen,
und Susie gehörte zu den Glücklichen, die eine hatten.
Sämtliche Tore waren mit Graffiti beschmiert und mit starken Schlössern und Ketten gesichert. Susie war wahrscheinlich die einzige Bewohnerin, die tatsächlich ein Auto in ihrer
Garage hatte.
Wie aus heiterem Himmel materialisierte sich eine Bande
von übel aussehenden Jugendlichen. Sie versammelten sich
zu einem ausgemachten Mini-Mob, der mich kritisch beobachtete und mit einer Mischung aus Ratschlägen und Flüchen bedachte.
Der Jüngste von ihnen war kaum elf, der Älteste vielleicht
fünfzehn. Ich zweifelte nicht daran, dass alle ausgemachte
Experten im Kurzschließen gestohlener Wagen waren, die
sie dann mit irrsinnigen Geschwindigkeiten durch die Gegend steuerten. Meine langsamen, vorsichtigen Manöver
waren das Gegenteil von allem, was ihrer Meinung nach Autofahren bedeutete.
»Mach schon, Süße, gib mal ordentlich Gas, du sitzt
schließlich nicht in einem Leichenwagen!« und »Hey, Oma,
wo hast du deinen Rollstuhl abgestellt?« waren noch die
freundlicheren Kommentare.
»Darren Murphy, benimm dich gefälligst!«, rief Susie einem von ihnen zu. Und an mich gewandt: »Am besten ignorierst du diese Bande einfach.«
»Müssten sie nicht in der Schule sein oder so?«, fragte ich.
»Die Kinder in dieser Gegend gehen nicht gerne in die
Schule.«
»Kommt denn das Schulamt nicht vorbei und kümmert
sich um sie?«, fragte ich naiv.
»Würdest du das tun, wenn du diese Kerle unterrichten
müsstest?«, lautete Susies Gegenfrage.
Ich verstand.
Der Mini-Mob wurde allmählich unruhig. Ihre verbalen
Waffen waren ihnen ausgegangen, und sie verfielen in die
physische Aggression, die für sie natürlich war. Sie tanzten
vor dem Wagen her und machten obszöne Gesten. Sie rannten neben uns her und hämmerten gegen die Scheiben. Sie
versuchten, die Türen aufzureißen, doch wir hatten sie von
innen verriegelt. Also bewarfen sie uns mit den leeren Bierdosen, die so überreich zur Hand waren.
»Jetzt hab ich genug davon«, sagte ich zu Susie. »Wenn
das so weitergeht, fahre ich noch einen von ihnen um. Nicht
absichtlich, so gerne ich das auch tun würde, sondern weil
er mir in den Weg gesprungen ist. Und hinterher krieg ich
die Schuld an allem!«
Susie räumte ein, dass ich wahrscheinlich recht hätte.
»Okay, ich möchte auch nicht, dass der Wagen beschädigt
wird. Wir haben für heute genug geübt. Ich fahre den Wagen in
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