Granger Ann - Varady - 05
sentimentale Balladen. Ständig habe er sie
dabei schmachtend angesehen wie ein liebeskranker Spaniel.
Irgendjemand, zweifellos Mario, hatte Silvio darüber informiert, dass es eine neue Bedienung gab. Unser Boss
tauchte gegen sechs auf, als ich nach einer Doppelschicht
Feierabend machte und Susie eben eingetroffen war, um
mich abzulösen. Silvios Absicht war es, die neue Angestellte
selbst in Augenschein zu nehmen. Seine Augen funkelten,
als sie ihm vorgestellt wurde, und er gab sich ausgesprochen
galant.
»Ein netter Gentleman, ganz die alte Schule«, bemerkte
Susie im Personalraum zu mir, während sie ihre rote Weste
zuknöpfte. Sie saß einigermaßen eng, und darunter trug Susie eine weit ausgeschnittene weiße Bluse. An mir sah die
Uniform aus, als wäre ich für eine Kinderparty verkleidet.
An Susie wirkte sie, als würde sie im nächsten Augenblick
als Carmen auf eine Bühne treten. Ich machte einen diesbezüglichen Kommentar.
»Besorg dir einen Wonderbra«, empfahl sie mir.
»Ich habe nichts, was ich hineintun könnte.«
Ich fragte mich, ob Silvio in der Zwischenzeit gegangen
war, und hoffte es. Er war kein junger Mann mehr, und der
Anblick von Susie, die förmlich aus ihrem Trachtenkostüm
platzte, mochte eine übermäßige Belastung für sein Herz
darstellen. Ich machte mir ernsthaft Sorgen, dass es falsch
von mir gewesen sein könnte, sie hierher zu bringen. Wir
hatten genügend Probleme, auch ohne die zusätzlichen
Schwierigkeiten, die zu viel männliche Hormone verursachten.
Jimmie steigerte meine Beunruhigung noch weiter. Ich
begegnete ihm auf dem Weg nach draußen, und er meinte:
»Merkwürdig, aber ich denke andauernd, dass ich diese Susie schon mal irgendwo gesehen habe.«
»Sie kommt aus der Gegend«, sagte ich.
»Ja, vermutlich hast du recht. Sie ist ein hübsches Ding
und gehört zu der Sorte, die man nicht so schnell vergisst.
Wahrscheinlich war sie das ein oder andere Mal in meinem
alten Hot Spud Café.«
»Du vermisst deinen alten Laden, nicht wahr?«
Er seufzte. »Ich fühle mich ein klein wenig überflüssig
hier. Als ich den alten Laden hatte, war es mein eigener. Ich
habe sämtliche Entscheidungen getroffen; ich habe die Speisekarte gemacht, und ich habe die Kartoffeln gebacken. Es
war harte Arbeit, und ich habe nicht viel Geld verdient; aber
ich war …« Er zögerte und lief rot an. »Na ja. Ich war jemand, verstehst du?«
Ich nickte. »Ich verstehe, Jimmie.«
»Na ja, so ist das eben. Es ist halt nicht alles Gold, was
glänzt.«
»Warum überredest du Silvio nicht, dich auszubezahlen?«,
fragte ich, ohne darüber nachzudenken. »Du könntest das
Geld nehmen und irgendwo einen neuen Laden aufmachen.«
»Vielleicht«, sagte er.
Der arme Jimmie. Den ganzen lieben langen Tag nichts
zu tun außer in den Fernseher glotzen und Boulevardblättchen lesen. Neue Klamotten, neue Sonnenbrille, mehr Geld.
Keine Unabhängigkeit, keine Befriedigung, nichts, woran
das Herz hing.
Ich hätte Susie warnen sollen, sich ganz besonders vor Luigi
in Acht zu nehmen – nicht nur, weil er meiner Meinung
nach ein widerlicher Kerl war, sondern auch, weil ich hätte
wissen müssen, dass sie ihm gefallen würde. Wie dem auch
sei, sie hatte es ziemlich schnell selbst herausgefunden. In
dem Augenblick, in dem sie das Restaurant am Montagabend betrat, erzählte sie mir, Luigi wäre in den Latin
Lover-Modus verfallen. Ihm wäre bewusst gewesen, dass jeder andere Mann im Laden von der neuen Aushilfe angetan
war, und so hätte er seinen Zug schnell gemacht.
»Ich gehe heute Abend mit Luigi tanzen, sobald wir hier
fertig sind«, sagte Susie zu mir, als wir uns am Dienstag verabschiedeten. In ihrem Gesicht leuchtete unverkennbar Triumph.
»Ist das klug?«, fragte ich einigermaßen besorgt.
»Keine Sorge, ich kann auf mich aufpassen«, antwortete
Susie.
»Ich hoffe, du bist sicher, dass es kein Fehler ist.«
»Tu mir einen Gefallen. Ich meine …« Sie zupfte ihre Locken zurecht. »Keine Frau hat etwas dagegen, wenn ein
Mann sie gut findet. Ich bin nicht dumm. Ich weiß, dass
Typen wie er nur Ärger machen. Sie sind besitzergreifend –
das heißt, bevor sie einen sitzen lassen. Es ist eine Art Einbahn-Beziehung. Aber ich komme damit zurecht.«
Susie schien sich bestens auszukennen. Ich hatte eigentlich immer das Gefühl, dass sie den toten Rennie Duke über
alles geliebt hatte. Jetzt kamen mir die ersten Zweifel.
»Ich dachte, du wärst erfreut darüber«, sagte sie. »Es ist
eine
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