Grappa 02 - Grappas Treibjagd
Lämmchen in der Mordnacht in Lauras Haus gewesen war.
»Hab ich doch gleich gesagt. Und was passiert jetzt?«, wollte ich von Jansen wissen.
»Die Ermittler stehen wieder am Anfang. Es existiert keine heiße Spur. Die wissen noch nicht mal, ob der Mörder unter den Gästen war oder ins Haus eingedrungen ist.«
Wir schwiegen. Ratlosigkeit machte sich breit. Jede Menge kalter Spuren, die vor sich hin fröstelten. Viel weiter als die Polizei war ich auch noch nicht. Meine stille Hoffnung war Ellenbogen gewesen, doch der hatte sich nur als heuchlerischer Spießer entpuppt.
Jansen fragte nach Ellenbogen, und ich sagte lustlos: »Ein Schuss in den Ofen!«
»Und der Treff zwischen ihm und der Engler?«
»Kleine Erpressung. 5000 Mäuse dafür, dass sie der Polizei nichts über Laura erzählt. Das ist leider alles!«
»Hast du das überprüft?«
»Nein, aber es klingt doch plausibel, oder?«
»Nicht unbedingt. Laura hat etwas rausgekriegt. Sie wird deshalb ermordet. Laura hat mit Engler zusammengearbeitet.«
»Du meinst, dass Ellenbogen ihr das Geld für etwas anderes gegeben hat?«
Jansen nickte. »Hör mal, Maria: Diese verschwundene Akte! Vielleicht hat die Engler sie doch und erpresst ihn!«
»Nein, das passt nicht. Sie hat sie doch von Naider haben wollen.«
»Dann ist Naider der Erpresser, er hat die Akte!«
Ich musste es ihm jetzt erzählen. »Ich habe die Akte geklaut. Bei meinem Besuch in Lauras Büro. Sie lag auf dem Tisch, und ich hab zugegriffen!«
»Bist du verrückt geworden?« Peter Jansen war geschockt. »Maria, wir sind doch kein Revolver-Blatt. Wenn die Polizei das spitz kriegt, kriegst du ein Verfahren an den Hals und der Verlag vielleicht auch. Wie konntest du so was Blödes machen?«
»Reg dich nicht auf, ich hab die Mappe in Sicherheit gebracht.«
»Stand wenigstens etwas Wichtiges drin?«
»Der Fall Beate Bartusch. Alle bekannten Angaben über diesen ›Onkel Herbert‹. Gesprächsprotokolle und Zeichnungen. ›Onkel Herbert‹ ist die Schlüsselfigur zu dem Fall. Mord und Kindesmissbrauch hängen zusammen. Ich muss mit Naider reden – auch darüber, was ihn die Polizei gefragt hat. Und ich muss mir die Engler vorknöpfen!«
»Je mehr wir wissen, umso komplizierter wird alles«, stöhnte Jansen, »du stellst die falschen Fragen den richtigen Leuten oder umgekehrt, klaust Beweismaterial, bringst unsere Zeitung in einen schlechten Ruf, und heraus kommt dabei nichts! Überhaupt nichts! Wie schaffst du das nur immer?«
»Du weißt doch, Peter, eine Frau im Journalismus muss doppelt so gut sein wie ein Mann. Zum Glück ist das nicht schwer!«
Wir aßen in Ruhe zu Mittag und ich betrachtete Jansen verstohlen. Je länger er in dem Job war, desto ängstlicher wurde er. Auch er hatte mal davon geträumt, sein Watergate aufzudecken. Sich fest vorgenommen, ein Buch zu schreiben und die Weltliteratur zu bereichern. Heute saß er lieber am Computer und klatschte die vorhandenen Artikel zu einem halbwegs gelungenen Layout zusammen.
Nur noch selten brach es aus ihm heraus, dieses tief verschüttete Bedürfnis, als Journalist den Reichen und Mächtigen auf die Finger hauen zu wollen. Als vierte Gewalt im Staat eine hehre Kontrollaufgabe auszuüben. Und die Intensität dieses Bedürfnisses stieg mit der Menge des genossenen badischen Weines an.
Aber – ich konnte mich auf ihn verlassen, wenn's drauf ankam. Für seine Mitarbeiter, vorausgesetzt er mochte sie, ging er durchs Feuer. Ich hoffte, er würde die Story bis zum Ende durchstehen und sie schließlich mitverantworten.
Die Erpresserin ist nur ein Nervenbündel
Ich fühlte mich wie ein Zettelkasten, in dem Hunderte von unsortierten Papierfetzen herumlungerten. Das Chaos schrie nach Ordnung.
Der nächste Weg führte mich schnurstracks in die Beratungsstelle. Agnus Naider war nicht da. Frau Engler hielt die Stellung. Bettina hieß sie mit Vornamen – es stand draußen auf einem Schild neben der Tür.
»Hallo.« Ich trat durch die geöffnete Tür. Zum Glück hatte sie keinen Besuch. »Ich heiße Maria Grappa, bin Journalistin und arbeite für das ›Bierstädter Tageblatt‹. Ich war mit Ihrer Kollegin Frau Gutweil befreundet, und ich arbeitete mit ihr zusammen an einer Reportage über die Beratungsstelle und die Arbeit mit missbrauchten Kindern. Ich dachte mir, dass ich die Arbeit jetzt mit Ihnen fortsetzen könnte?«
Ihr Gesicht war verschlossen, die Kleidung leicht verrutscht, und ihre nervösen Hände malträtierten die
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