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Grappa 03 - Grappa macht Theater

Grappa 03 - Grappa macht Theater

Titel: Grappa 03 - Grappa macht Theater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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weiterzubringen.
    Ich war hier, weil es einen besonderen Tagesordnungspunkt gab. Nach dem Rechenschaftsbericht und den Vorstandswahlen hatten die Damen Lazarus Beutelmoser eingekauft. Er gehörte zu den bunteren Programmpunkten, denn er sollte Gedichte zum Thema »Zwischen Windeln und Wahnsinn – von der Einsamkeit der Frau« vortragen.
    Ich schlenderte in Richtung Pressetisch. Eine ältere Delegierte gab sich als Pressereferentin zu erkennen und begleitete mich. Auch sie trug ein zweireihiges Austernprodukt um den Hals. Ihre aprilfrische Baumwollbluse war mit einem frechen Hohlsaum verziert. Ich kam mir mit meinen Tiger-Leggins und dem Sweat-Shirt richtig alternativ vor.
    Am Pressetisch zeigte sie mir die Pressemappe und wies mich auf die Möglichkeit hin, die Flaschen auf dem Tisch zu leeren. Dabei lächelte sie mit ihren großen, gut gepflegten Zähnen. Mir fiel ein, dass ich übermorgen einen Termin beim Zahnarzt hatte.
    »Hallo!«, sagte ich zu der Kollegin vom Konkurrenz-Blatt. Sie hieß Dr. Elvira Bollhagen-Mergelteich und war eine bewusst alleinerziehende Mutter. Ich kannte sie schon einige Jahre und bewunderte sie. Sie hatte nach dem beliebten Leitsatz der Frauenbewegung gehandelt, der besagt, dass eine Frau einen Mann genauso dringend braucht wie ein Fisch ein Fahrrad.
    Dennoch hatte sich der Fisch vor rund vier Jahren aufs Fahrrad geschwungen. Das lebende Ergebnis dieser Übung hatte Elvira Bollhagen-Mergelteich heute mitgebracht: ihren Sohn Bolle.
    Der Kleine hatte die säuberlich ausgelegten Pressemappen schon vom Tisch gefegt und versuchte nun, mit den Fingernägeln die Kronkorken von den Flaschen zu knipsen. Seine Mutter war entzückt von seiner Entdeckungsfreude.
    Als die Nummer mit den Kronkorken nicht mehr interessant war, kam Bolle Bollhagen direkt auf mich zu.
    »Na, du süßer kleiner Fratz!«, versuchte ich mit dem Kind zu scherzen. Der Angesprochene hob sein kleines Patschhändchen und riss mir die Brille vom Gesicht.
    Ich war sofort blind wie ein Maulwurf. »Willst du der lieben Tante Grappa die Brille nicht wiedergeben?«, fragte ich verzweifelt.
    Bolle zog es vor zu schweigen. Voll im Griff meiner Minus vier Dioptrien ahnte ich, was da passierte. Bolle hatte meine 600-Mark-Brille auf den Boden geworfen und wollte sie zertreten. Ich peilte ihn an, kniff ihn kräftig in den Hintern und machte ein unschuldiges Gesicht. Das half. Bolle Bollhagen stimmte ein Sirenen-Geheul an und flüchtete sich in die Arme seiner alleinerziehenden Mutter.
    »Was hat er denn, der kleine Sonnenschein?«, fragte ich scheinheilig. Dr. Elvira Bollhagen-Mergelteich blitzte mich wütend an. Zum Glück ersparte mir Oberbürgermeister Gregor Gottwald die Racheaktion, denn er stand bereits am Rednerpult.
    Er war Schirmherr der Landestagung. In seiner volkstümlichen Art fand er nicht gleich den richtigen Ton, als er den 200 Damen versicherte, dass er sich richtig wohl nur unter Frauen fühlte. Männer seien weniger hübsch und schlechter angezogen.
    »Hausfrauen, die finde ich besonders dufte. Ich kann das beurteilen, denn ich hab zu Hause ja auch eine!«
    Schüchterner Applaus kam auf. Gottwald lobte seine Frau und ging anschließend mit den Mädels der Frauenbewegung ins Gericht.
    »Freudlos sind die, verklemmt!«, polterte er.
    Gut, dass er das Zischen der jungen Mutter neben mir nicht hören konnte. Doch auch die jüngeren Delegiertinnen, die für die Anerkennung des Hausfrauenberufs als tariflich bezahlte Beschäftigung stritten, guckten nicht besonders begeistert.
    Doch Gregor Gottwald hatte sich warm geredet. Er hatte von der Ausbeutung der Frau als Arbeitstier in unserer patriarchalischen Gesellschaft noch nie etwas gehört, geschweige denn verstanden.
    »Und dabei habe ich gar nichts gegen die Frauenbewegung«, lachte er in den Saal, »sie muss nur schön rhythmisch sein!«
    Die Miene der Landesvorsitzenden erstarrte, ihr erschlafftes Kinn zitterte, und die breiten Gesundheitsschuhe scharrten über den Boden wie ein Pferd, das kurz davor war auszukeilen.
    Gottwald kriegte dann doch wieder die Kurve. Er offerierte die Bürgerhalle des Rathauses für das Bundestreffen des Hausfrauenbundes und stellte ein größeres Sponsoring in Aussicht. Er wurde in Ehren und mit artigem Applaus entlassen.
    »Unmöglich, dieses Grußwort!«, bewertete Elvira Bollhagen-Mergelteich die OB-Rede. Ich zuckte mit den Schultern. Wer weiß, sinnierte ich, welches Frauenbild ihre eigene Genkopie einmal haben wird. Ich dachte den Gedanken

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