Grappa 06 - Grappa und der Wolf
mir etwas von einer rothaarigen und sehr neugierigen Frau erzählte, habe ich sehr, sehr lange überlegt … und bin dann auf Sie gekommen.«
»Das nächste Mal trage ich einen Hut, wenn ich Leute befrage«, kündigte ich an. »Carlotta Roja hat bei Hilfe ohne Grenzen gearbeitet, und ich wollte damals, nach dem Mord an Lasotta, da hatte ich vor …« Ich hatte schon mal geschickter gestottert.
»Sprechen Sie sich ruhig aus!«, forderte Brinkhoff. »Ich mag Ihre fantasievollen und blumigen Geschichten.«
»Auf jeden Fall war sie schon nicht mehr da, und deshalb habe ich sie in meinen Berichten nicht erwähnt.«
»Und warum haben Sie sich nach Carmen Roja erkundigt?«
Verdammt, dachte ich. »Ich verstehe nicht«, murmelte ich nach einer kurzen Verzweiflungspause.
»Frau Grappa«, wurde Brinkhoffs Stimme schärfer, »ich kenne Sie. Sie kochen immer Ihren eigenen Brei. Statt mit uns zusammenzuarbeiten, holen Sie sich lieber eine blutige Nase. Ich will Sie nicht davon abhalten, das zu tun, was Sie wollen. Sie sollten die Polizei nur nicht unterschätzen. Carmen Roja hat für das BKA gearbeitet. Sie ist genauso verschwunden wie ihre Tante Carlotta. Vielleicht sind beide ermordet worden. Ich weiß nicht, wie Sie in die Sache hineingeschlittert sind. Ich weiß nicht, warum der Killer mit Ihnen telefoniert. Ich weiß eigentlich so gut wie gar nichts, denn mein BKA-Kollege hat mich ziemlich kaltgestellt. Das Einzige, was ich weiß, ist, dass diese Geschichte nichts für neugierige Journalistinnen ist. Denken Sie an Ihren Kollegen Willibald Wurbs.«
Ich schluckte. Den Gedanken an Willi hatte ich verdrängt. »Gibt's was Neues in der Sache?«
»Gift in der Sachertorte. Blausäure. Wir haben den Brief mit Wasser aufgedämpft, aber keine Fingerabdrücke gefunden. Der Täter wollte, dass Wurbs den Kuchen isst, und deshalb hat er Ihren Namen missbraucht.«
»Also bin ich aus dem Schneider?«
»Sicher. Ganz dumm ist die Polizei ja auch nicht. Liliencron hat diese Mordsache ebenfalls an sich gezogen, da sie in engem Zusammenhang mit den Ermittlungen seiner Sonderkommission stehen. Die SOKO ›Sachertorte‹ hat allerdings noch keine wichtigen Anhaltspunkte, die zu einer Klärung führen könnten …«
»Die SOKO heißt ›Sachertorte‹?«
»Ja. Liliencron hält das für besonders originell.« Brinkhoff lachte. Ich hörte durch die Leitung, dass es ein bitteres Lachen war.
»Kopf hoch, Herr Brinkhoff. Wenn ich den Wolf fange, sind Sie der erste, der's erfährt. Ich kann diesen BKA-Fritzen auch nicht ausstehen. Er ist eine Mischung aus Arroganz und gewalttätiger Dreistigkeit. Solche Typen manövrieren sich selbst ins Aus.«
»Ich kann nichts Nachteiliges über meinen Kollegen sagen«, kam es reserviert.
»Brauchen Sie auch nicht. Vielen Dank für das Gespräch. Ich bin übrigens ab morgen in Urlaub.«
»Wohin geht's denn?«
»Auf jeden Fall Richtung Süden. Ich will meinen Bauch in die Sonne legen, geile Drinks schlürfen und an nichts und niemanden denken. Nach dem Anschlag auf mich habe ich ein bisschen Erholung verdient, oder?«
Die Zeit vergeht im Flug
Rocky, mein »Leibwächter«, schien den Ausflug nach Madrid mit einer Dschungeltour ins außereuropäische Ausland zu verwechseln. Als er ziemlich pünktlich am Düsseldorfer Flughafen auftauchte, war er in einen khakifarbenen Safarianzug gewandet, seine riesigen Füße steckten in hochgeschnürten Springerstiefeln, und auf der Nase prangte eine Goldrandsonnenbrille, die vom leichten Nieselregen benetzt war.
»Du lieber Himmel«, stöhnte ich auf, als er vor mir stand, »Sie sind so unauffällig wie ein schlecht sitzendes Toupet!«
»Tut mir leid«, murmelte er zerknirscht, »ich hatte die Sachen noch aus meiner Zeit bei der Fremdenlegion in Nordafrika.«
»Bei El Alamein gekämpft, was?«
Er begriff den historisch-anspruchsvollen Supergag nicht, sondern guckte nur etwas dümmlich. Nein, dachte ich, die nächsten Tage werden mich intellektuell nicht herausfordern. Ich dachte an das schöne Geld, das diese Schnapsidee kosten würde. Jansen hatte zum Glück eine Kostenerstattung in Aussicht gestellt.
»Mein Bruder ist Großwildjäger und Raucher«, erklärte ich der Frau am Schalter, als ich ihr die beiden Tickets reichte. »Geben Sie ihm einen Platz im Raucherbereich und am Fenster, damit er die Zebras und Elefanten unter uns sieht.«
Kurze Zeit später hatten wir unser Handgepäck verstaut, die Stewardess schlich durch die Reihen, um die Gurte zu
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